Hier können Sie zwischen der Ansicht für Geschäftskunden und Privatkunden wechseln.
Informationen und qualifizierte Einschätzungen zu Chancen und Risiken
030-288 817-20
Geschäftskunde
Privatkunde
0,00 €
3153
Unruhe bei Lieferando, Uber und Co.

EU bringt On-Demand-Plattformen in Bedrängnis

Ein Lieferant mit rotem Rucksack klingelt an einer Wohnungstür. © miodrag ignjatovic / Getty Images / iStock
Die Corona-Pandemie hat der Plattformwirtschaft endgültig zum Durchbruch verholfen. Immer mehr Menschen kaufen auf Marktplätzen wie Amazon und eBay ein, lassen sich das Essen von Lieferando bringen und suchen Handwerker auf MyHammer oder bei ähnlichen Anbietern. Die EU knöpft sich die Plattformwirtschaft jetzt aber vor. Im Kern geht es um den Schutz derer, die sich und ihre Arbeitskraft auf den Plattformen verkaufen.

Die EU nimmt sich der Regulierung der Plattformwirtschaft an und bedroht damit vor allem das bisherige Geschäftsmodell von Lieferdiensten. Prüfbedarf haben aber auch Zeitarbeitsfirmen und andere Jobvermittlungsplattformen. Einen entsprechenden Richtlinienentwurf zur Regulierung der Plattformwirtschaft hat die EU-Kommission im Dezember vorgelegt. Hinter dem Begriff Plattformwirtschaft verbergen sich allgemein Internet-Anbieter, die Käufer und Verkäufer zusammenbringen. Dabei gilt es, drei verschiedene Arten von Plattformen zu unterscheiden:

  • Marktplätze: Käufer und Verkäufer werden klassisch zusammengebracht. Beispiele dafür sind etwa eBay, Etsy oder Amazon-Marketplace.
  • Software-as-a-Service: Software aus der Cloud wird über eine Plattform bereitgestellt, etwa zur Erstellung von Websites oder Präsentationen. Beispiele sind Wix oder Zenoti.
  • On-Demand-Plattformen: Lieferungen auf Knopfdruck erhalten, Beispiele dafür sind Lieferando, Gorillas (deren Lieferanten werden als Gig-Worker oder Rider bezeichnet), Uber oder das Handwerkerportal MyHammer.

Gig-Worker im Fokus

Die EU will mit ihrem Vorstoß vor allem die Arbeitsverhältnisse von Gig-Workern verbessern. Der Gig-Arbeitsmarkt hat bereits heute gigantische Dimensionen erreicht. Je nach Definition arbeiten heute 20 bis 30% der Europäer und Amerikaner im Bereich Gig-Working. Laut Prognosen von McKinsey werden bis 2025 mehr als 30% (60 Bio. US-Dollar) des weltweiten Unternehmensumsatzes durch digitale Plattformen erwirtschaftet werden. Marktplätze und Software-as-a-Service-Plattformen werden durch den EU-Vorstoß kaum berührt.

Die Kuriere, die besonders seit der Pandemie das Stadtbild prägen, arbeiten oft als unabhängige Selbständige, Freiberufler oder geringfügig Beschäftigte. Dabei stehen sie in der Realität oft wie normale Angestellte in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Plattformen – allerdings nur mit den geringeren Arbeitnehmerrechten (Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch, Sozialversicherung) eines Selbstständigen. Der Leistungsdruck der Fahrer ist hoch, ihre Zeiten werden oft per App nachverfolgt. Die Möglichkeiten, sich gegen vermeintliche Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen, sind ohne Betriebsrat in der wenig regulierten Arbeitswelt gering.

Wer zwei Kriterien erfüllt, ist Angestellter

Kernelement der Richtlinie ist, dass die Plattformen künftig darlegen sollen, warum sich ihre Beschäftigten nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis befinden. Ein solches Verhältnis wird dann angenommen, wenn mindestens zwei Punkte erfüllt werden:

  • Effektive Bestimmung der Höhe der Vergütung oder Festlegung von Obergrenzen der Vergütung
  • Aufforderung der Plattformarbeit leistenden Person, bestimmte verbindliche Regeln in Bezug auf Erscheinungsbild und Verhalten gegenüber dem Empfänger der Dienstleistung bzw. in Bezug auf die Arbeitsleistung einzuhalten
  • Überwachung der Arbeitsleistung oder Überprüfung der Qualität der Arbeitsergebnisse, auch auf elektronischem Wege
  • Effektive Einschränkung der Freiheit, die Arbeit zu organisieren – insbesondere den Ermessensspielraum bei der Wahl der Arbeitszeit oder der Abwesenheitszeiten-, Aufgaben anzunehmen oder abzulehnen oder die Dienste von Unterauftragnehmern oder Ersatzkräften in Anspruch zu nehmen, auch durch den Einsatz von Sanktionen
  • Effektive Einschränkung der Möglichkeit, einen Kundenstamm aufzubauen oder Arbeiten für Dritte auszuführen

Laut Schätzungen der EU-Kommission werden derzeit 5,5 Mio. Beschäftigte falsch als Selbstständige klassifiziert. Aktuell arbeiten in der EU 28 Mio. Beschäftigte auf Plattformen, bis zur Mitte des Jahrzehnts werden es schätzungsweise 43 Mio. sein. Die Plattformen selbst gehen erhebliche Risiken ein, wenn sie ihre Beschäftigten falsch zuordnen. Sie müssen bei Feststellung rückwirkend die Sozialversicherungsbeiträge zahlen und machen sich unter Umständen sogar strafbar.

Relevant wird's in drei Jahren

Politisch ist kein großer Widerstand gegen den EU-Vorstoß zu erwarten. Die Richtlinie durchläuft gerade die Brüsseler Institutionen. Im Durchschnitt dauert es 18 Monate, bis ein Entwurf verabschiedet wird. Danach haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um ihre nationalen Regelungen anzupassen. Akut relevant würden die neuen Regelungen damit im Sommer 2025.

Fazit: Unternehmen mit Plattform-Geschäftsmodellen sind gut beraten, sich auf die anstehenden Veränderungen einzustellen. In einigen Jahren dürfte die Kontrolle deutlich zunehmen und es ist denkbar, dass die Arbeitskosten steigen.

Meist gelesene Artikel
  • Fuchs plus
  • Stiftungsvermögen 2024: Partners VermögensManagement AG

Vorschlag der Partners wird als zu leicht befunden

Thumb Stiftungsvermögen 2024, © Grafik Redaktion Fuchsbriefe mit Envato Elements
Die Partners VermögensManagement AG führt sich bei der Stiftung Fliege mit einem ungewöhnlich ausführlichen und persönlich gehaltenen Anschreiben ein, das ein echtes Interesse an dem Mandat erkennen lässt. Der Vermögensverwalter geht bereits hier auf das bestehende Portfolio und den Veränderungsbedarf ein, erläutert Erfahrungen bei Stiftungsmanagement und nachhaltiger Vermögensanlage und garantiert die geforderte Ausschüttung für den Stiftungszweck. Ein toller Auftakt, der auf mehr hoffen lässt
  • Fuchs plus
  • Brückeneinsturz von Baltimore

Hafen von Baltimore wieder geöffnet

Verschwommenes Bild vom Hafen in Baltimore und Bild von einem Sperrschild verlaufen ineinander © Adobe Firefly, KI-generiertes Bild
Der Hafen von Baltimore ist wieder rund um die Uhr geöffnet. Auch größere Schiffe können den wichtigen Umschlagplatz an der Ostküste der USA nun wieder anlaufen.
  • Fuchs trifft Pferdchen, Der Geldtipp-Podcast, Teil 40

Geldtipp – Pferdchen trifft Fuchs: Wie man richtig reich werden kann

Geldtipp-Podcast. ©SpringerNature
Ein sorgenfreies Leben in Reichtum ist der Traum vieler Menschen. Pferdchen und Fuchs diskutieren in der 40. Folge des Geldtipp-Podcasts, welche Formen von Reichtum es gibt, wann Personen als reich gelten und wie sie diesen Traum verwirklichen können.
Neueste Artikel
  • Die Marke stirbt zuletzt

Das langsame Sterben der Traditionsmarken am deutschen Bankenmarkt

Fassade und Namensschild von Bethmann / ABN Amro. © Verlag FUCHSBRIEFE
Am deutschen Bankenmarkt werden die Karten neu gemischt. Der Konsolidierungsprozess unter den Privatbanken geht mit großen Schritten voran. Jüngster Fall: Die niederländische Großbank ABN Amro übernimmt Hauck Aufhäuser Lampe vom bisherigen Eigentümer, der chinesischen Fosun-Gruppe. Immer mehr Traditionsmarken im Private Banking verlieren so ihre relative Eigenständig. Zuletzt stirbt dann der Markenname.
  • Fuchs plus
  • Tschechien – Tschechische Krone

Krone aus Tschechien hat Potenzial

Die Wirtschaft in Tschechien leidet unter der deutschen Konjunkturschwäche. Das schlägt gerade auch auf die Verbraucher zurück, die ihren Optimismus zügeln. Die Notenbank kommt damit in eine Zwickmühle, denn die Inflation zieht kräftig an. Die Krone wird deshalb in Bewegung kommen.
  • Fuchs plus
  • Gutes oder schlechtes Zeichen für den Euro?

Zinsspreads zwischen Deutschland und Italien gibt Fehlsignal

Der Aufschlag für italienische gegenüber deutschen Staatsanleihen (Spread) sinkt kontinuierlich. Der Tiefpunkt im zurückliegenden 10-Jahreszeitraum kommt in Sichtweite. Ist das nun ein gutes Zeichen für Italiens Wirtschaftskraft und die langfristige Stärke des Euro?
Zum Seitenanfang