Hier können Sie zwischen der Ansicht für Geschäftskunden und Privatkunden wechseln.
Informationen und qualifizierte Einschätzungen zu Chancen und Risiken
030-288 817-20
Geschäftskunde
Privatkunde
0,00 €
1166
Nichts dazugelernt?

Zertifikate werden wieder gefragt

Der Zertifikatemarkt ist wieder im Aufwind. Nach der Lehman-Pleite war diese Anlageform völlig diskreditiert. Anleger mussten schmerzlich erleben, dass manche Risiken nicht auf dem Papier stehen. Die Skepsis scheint nun wieder überwunden worden zu sein.

Der Zertifikatemarkt ist wieder im Aufwind. Nach der Lehman-Pleite war diese Anlageform völlig diskreditiert. Anleger mussten schmerzlich erleben, dass manche Risiken nicht auf dem Papier stehen. Das Emittentenrisiko, also die Gefahr, dass ein Zertifikate-Herausgeber insolvent wird und die versprochene Leistung nicht erbringt, sorgte in vielen Depots über Nacht für Verluste.

Zum Glück waren relativ wenige Zertifikate von einer Emittenteninsolvenz betroffen. Nach Medienberichten betraf der Komplettausfall vor allem Kleinanleger. Aber auch Vermögende hatten Lehman-Zertifikate im Depot. Ihre Verluste klärten sie nicht selten heimlich, still und leise mit den Rechtsabteilungen der Banken.

Die größeren Verluste, die Zertifikateinhaber beklagen mussten, hatten andere Gründe: Die zum Teil hoch komplexen Konstrukte zeigten ihre wahre Natur in der Krise. Die „Sicherheitspuffer" waren binnen weniger Tage aufgezehrt. Das Bonuszertifikat hatte plötzlich keinen Bonus mehr und war zu einer „Aktie" ohne Dividende mutiert. Der „Aktienkorb", der für eine überdurchschnittliche Performance sorgen sollte, machte mehr Verluste als das Direktinvestment.

Konstruktionen, die durch einen herausragenden Anlageprozess, möglichst computergesteuert, zu Top-Ergebnissen führen sollten, meldeten plötzlich, dass die „Reissleine" gezogen wird und alles in einen Zerobonds investiert wird. Die in 6 Jahren fällige Restrendite ist – allerdings gesichert – mit 0,87% zu beziffern.

Kaufe nichts, was du nicht verstehst! Eigentlich – so müsste man denken – sollten Anleger nun ausreichend gewarnt sein und diese Regel beherzigen. Doch die Praxis lehrt etwas anderes.

Fall aus der Praxis

Andreas Strusow ist seit Jahren bei seiner Hausbank. Der Unternehmer braucht sie als Kreditgeber, da er immer wieder in seinen Betrieb investiert. Darum sorgt er für einen guten Kontakt. Seit Jahren pflegt er auch Beziehungen zum Anlageberater. Nicht ganz freiwillig. Der Kreditgeber hatte Strusow zu verstehen gegeben, er möge auch seine Anlagegeschäfte über die Bank abwickeln.

Seither ruft der Wertpapierberater regelmäßig an und bespricht mit ihm Anlagefragen. Mittlerweile ist das Depot auf 360.000 € angewachsen. Von den 400.000 €, die ein freier Vermögensmanager für Strusow verwaltet, weiß die Bank nichts. Vor kurzem warb der Bankberater für ein neues Produkt. Dieses sei in der Lage, die Risiken zu begrenzen und gleichzeitig eine attraktive Rendite zu erzielen. Zwar seien „Hedgefonds" als Folge der Finanzkrise in der Kritik, aber man müsse nur die Spreu vom Weizen trennen. Strusow solle eine Garantieanleihe (klingt besser als Zertifikat!) kaufen.

Grundlage des empfohlenen Zertifikats sei der J. P. Morgan Multi Strategy 5 Index. Dieser Index bilde, so der Bankberater die Wertentwicklung von 26 Alternativ- Investment-Strategien ab, die sich in drei Gruppen zusammenfassen lassen. Momentum-, Carry- und Satellite- Strategie. Die Laufzeit des Papiers beträgt 5 Jahre. Das Risiko sei mit 5% Schwankungsbreite sehr begrenzt. Das Konstrukt wird durch einen Kapitalschutz gekrönt. Am Ende werden garantiert 100% zurückgezahlt.

Noch Fragen?

Da fragt sich der kritische Betrachter: Wenn das Risiko so gering ist, wozu braucht es eine Rückzahlgarantie? Schließlich kosten Garantien immer Renditepunkte. Keine Leistung ist umsonst. Zudem: Der Erwerb der „Anleihe" wird mit einen Agio von 2% belastet. Damit sind bereits zwei Dinge klar: Erstens erhält der Unternehmer im schlimmsten Fall nicht 100% seiner Einlage (also inklusive Agio), sondern nur 100% des Nominalbetrags wieder. Das wäre also doch ein Verlust. Zweitens kennt er mindestens ein Motiv, warum sein Berater ihn angerufen hat. Der wird nämlich daran gemessen, welchen Ertrag er durch Provisionserlöse erzielt.

Wie soll Strusow jetzt handeln? Wenn er genügend Zeit zur Verfügung hat, kann er sich die Anlage detailliert erklären lassen. Er sollte u.a. fragen, wie viel die Bank beim Abschluss verdient. Ohne eine erschöpfende Auskunft dazu, ist eine vertrauensvolle Beziehung nicht möglich. Der Unternehmer sollte weiter fragen, welche Gebühren die Bank nach dem Kauf pro Jahr zusätzlich nimmt. Diese Kosten unterschlagen Bankberater gerne.

Als nächstes könnte der Anleger in spe den Berater bitten, das Produkt zu erklären. J. P. Morgan ist der Emittent, also sollten Details zur Bonität des Schuldners bekannt sein. Darüber gibt es allerdings nur wenige Informationen (J.P. Morgan Structured Products), mehr aber über den Garantiegeber, die JPMorgan Chase Bank. Standard & Poors bewertet das Haus mit AA-, Moody's mit Aa1. Das ist ohne Frage ein guter Wert. Die Auskunft ist wichtig für eine kompetente Entscheidung.

Danach sollte sich Herr Strusow erläutern lassen, wie das Zertifikat bewertet wird und in was er investiert. Der Berater wird ihm erzählen, dass er in einen regelbasierten Index investiert. Dieser Indextyp versuche, durch Ausnutzung von Ineffizienzen oder Tendenzen in Marktpreisen Renditen zu erzielen. Das dürfte vielen Anlegern wenig oder gar nichts sagen. Der Index solle zudem durch Auswahl verschiedener Strategien eine geringe Korrelation zu anderen Anlageklassen haben. Falls er nicht schon kapituliert hat, könnte Strusow fragen: Was sind das für Strategien? Der Berater wird jetzt antworten, dass es sich um Momentum-, Carry- und Satellite-Strategien handelt. Die letzte lässt sich in Mean-Reversionund in Short-Volatility-Strategie unterscheiden.

Den weiteren Verlauf des Anlagegesprächs überlassen wir der Phantasie des Lesers. Nur so viel: Der Obskurantismus der Anlagestrategen hat System. Viele Zertifikatekäufer lassen sich von den Leistungsversprechen verführen, ignorieren aber die Risiken.

Hochkomplexe Zertifikate, auch wenn sie jetzt Anleihen genannt werden, sind selbst für erfahrene Anleger häufig nur schwer zu verstehen. Würde jeder den Grundsatz beherzigen „Kaufe nur das, was du verstehst!", dann hätte das Produkt von J.P. Morgan eigentlich keine Chance am Markt. Dennoch erhielt das Produkt das Gütesiegel des DDV (Deutscher Derivate Verband), dem Verband der Zertifikateherausgeber.

Die Finanzkrise ist noch nicht überstanden – schon zeichnen Anleger wieder trendige Anlageprodukte, ohne groß nachzufragen. Die Marketingabteilungen der Emittenten tun ihr Bestes, um die Nachfrage nach Rendite bei beschränktem Risiko zu befriedigen.

Die Banken locken mit vielversprechenden Namen. So hat die LBBW ein Produkt auf den Markt gebracht, das „Solveo" heißt. Damit sollen wohl Assoziationen wie „solvent" geweckt werden. Bei dem Papier handelt es sich um ein „Credit-Linked-Note". Wieder taucht das Wort „Zertifikat" nicht auf, obwohl die LBBWKreation eines ist. Die Besonderheit: Solange von vier darin gebündelten Unternehmen (Henkel, Metro, E.on und ThyssenKrupp) keines inZahlungsschwierigkeiten gerät, erhält der Anleger bis zu 4% Zinsen im Jahr. Das klingt gut angesichts der Magerrenditen von Bundesanleihen. Die Firmen dürfen jedoch kein „Kreditereignis" erleiden. Damit ist die Insolvenz eines Unternehmens, aber auch eine Umstrukturierung der Schulden gemeint.

Wenn der Notfall bei einem Unternehmen eintritt, ist es egal, ob es den anderen gut geht. Jetzt zählt nur noch die Anleihe des Unternehmens in der Krise. Der Zinssatz steht demnach in keinem sinnvollen Verhältnis zum Risiko – aber solvent klingt erstmal gut! Der einzige Vorteil dieses Produkts: Seine Tücken sind schneller zu durchschauen als die des J.P.-Morgan-Papiers.

Zertifikate, nein danke?!

Die Antwort auf die Frage, ob Zertifikate grundsätzlich abzulehnen sind, ist dennoch Nein! Allerdings sind transparente Produkte weiter Mangelware. Wie vor der Finanzkrise zählen das Kundeninteresse wenig, entscheidend sind die Provisionen der Banken. „Sie haben nichts gelernt", kann man derzeit häufig hören.

Empfehlenswerte Zertifikate sind bspw. die klassischen Discount-Zertifikate. Spezialisten schaffen mit diesen Produkten seit Jahren eine gute Rendite und eine angemessene Risikostreuung im Depot. Zudem sind diese Papiere relativ leicht zu verstehen. Auch weiß der Anleger von Anfang an, was die kritischen Schwellen sind. Im Rohstoffbereich lassen sich bestimmte Anlageklassen nur über solche Konstrukte abwickeln. Ein Beispiel für diesen Zertifikatetyp sind Gold-ETFs. Sie haben einen besonderen Schutz, weil das Anlegergeld mit echtem Gold hinterlegt ist. Ein seriöser Vertreter dieser Vermögensklasse ist die Anleihe „XETRA-Gold" (DE 000 A0S 9GB 0). Der Anleger hat zudem einen Lieferanspruch.

Allerdings: Wer Gold für die Krise aller Krisen hortet, hat im Chaos des wirtschaftlichen Zusammenbruchs keine endgültige Sicherheit. Es ist nicht sicher, ob er dann an sein Gold kommt bzw. seinen Rechtsanspruch durchsetzen kann. Wer das akzeptiert, ist mit dem Produkt ansonsten gut bedient.

Meist gelesene Artikel
  • Fuchs plus
  • Stiftungsvermögen 2024: Partners VermögensManagement AG

Vorschlag der Partners wird als zu leicht befunden

Thumb Stiftungsvermögen 2024, © Grafik Redaktion Fuchsbriefe mit Envato Elements
Die Partners VermögensManagement AG führt sich bei der Stiftung Fliege mit einem ungewöhnlich ausführlichen und persönlich gehaltenen Anschreiben ein, das ein echtes Interesse an dem Mandat erkennen lässt. Der Vermögensverwalter geht bereits hier auf das bestehende Portfolio und den Veränderungsbedarf ein, erläutert Erfahrungen bei Stiftungsmanagement und nachhaltiger Vermögensanlage und garantiert die geforderte Ausschüttung für den Stiftungszweck. Ein toller Auftakt, der auf mehr hoffen lässt
  • Fuchs plus
  • Brückeneinsturz von Baltimore

Hafen von Baltimore wieder geöffnet

Verschwommenes Bild vom Hafen in Baltimore und Bild von einem Sperrschild verlaufen ineinander © Adobe Firefly, KI-generiertes Bild
Der Hafen von Baltimore ist wieder rund um die Uhr geöffnet. Auch größere Schiffe können den wichtigen Umschlagplatz an der Ostküste der USA nun wieder anlaufen.
  • Fuchs trifft Pferdchen, Der Geldtipp-Podcast, Teil 40

Geldtipp – Pferdchen trifft Fuchs: Wie man richtig reich werden kann

Geldtipp-Podcast. ©SpringerNature
Ein sorgenfreies Leben in Reichtum ist der Traum vieler Menschen. Pferdchen und Fuchs diskutieren in der 40. Folge des Geldtipp-Podcasts, welche Formen von Reichtum es gibt, wann Personen als reich gelten und wie sie diesen Traum verwirklichen können.
Neueste Artikel
  • Die Marke stirbt zuletzt

Das langsame Sterben der Traditionsmarken am deutschen Bankenmarkt

Fassade und Namensschild von Bethmann / ABN Amro. © Verlag FUCHSBRIEFE
Am deutschen Bankenmarkt werden die Karten neu gemischt. Der Konsolidierungsprozess unter den Privatbanken geht mit großen Schritten voran. Jüngster Fall: Die niederländische Großbank ABN Amro übernimmt Hauck Aufhäuser Lampe vom bisherigen Eigentümer, der chinesischen Fosun-Gruppe. Immer mehr Traditionsmarken im Private Banking verlieren so ihre relative Eigenständig. Zuletzt stirbt dann der Markenname.
  • Fuchs plus
  • Tschechien – Tschechische Krone

Krone aus Tschechien hat Potenzial

Die Wirtschaft in Tschechien leidet unter der deutschen Konjunkturschwäche. Das schlägt gerade auch auf die Verbraucher zurück, die ihren Optimismus zügeln. Die Notenbank kommt damit in eine Zwickmühle, denn die Inflation zieht kräftig an. Die Krone wird deshalb in Bewegung kommen.
  • Fuchs plus
  • Gutes oder schlechtes Zeichen für den Euro?

Zinsspreads zwischen Deutschland und Italien gibt Fehlsignal

Der Aufschlag für italienische gegenüber deutschen Staatsanleihen (Spread) sinkt kontinuierlich. Der Tiefpunkt im zurückliegenden 10-Jahreszeitraum kommt in Sichtweite. Ist das nun ein gutes Zeichen für Italiens Wirtschaftskraft und die langfristige Stärke des Euro?
Zum Seitenanfang