Hier können Sie zwischen der Ansicht für Geschäftskunden und Privatkunden wechseln.
Informationen und qualifizierte Einschätzungen zu Chancen und Risiken
030-288 817-20
Geschäftskunde
Privatkunde
0,00 €
2005
Ifo: Das Bürgergeld hat einen Konstruktionsfehler

Anrechnung des Zuverdienstes schafft eine Niedrigeinkommensfalle

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. © Britta Pedersen / dpa-Zentralbild / dpa / picture alliance
Eine ifo-Untersuchung zeigt: Arbeit führt in Deutschland immer zu höheren Einkommen als Nichtstun. Dennoch haben das Bürgergeld und das Transfersystem einen gravierenden Konstruktionsfehler. Es bremst Mehrarbeit und Zuverdienst aus. FUCHSBRIEFE haben beim ifo-Forscher Maximilian Blömer nachgefragt.

Das Bürgergeld hat einen grundlegenden Konstruktionsfehler. Die Anrechnung des Zuverdienstes für zusätzliche Arbeit führt zu einer Reduktion der Transferleistungen. Der Effekt kann sein, dass Beschäftigte in eine Niedrigeinkommensfalle geraten können. 

Lohnabstand nach Anrechnung des Zuverdienstes teilweise zu gering

Für Arbeitnehmer lohnt es sich unter Umständen nicht, verfügbare Zeit in mehr Arbeit und Geld einzutauschen. Denn das erzielte höhere Einkommen reduziert das Bürgergeld (diverse Transferzahlungen). Dieser Effekt kann den Abstand zwischen Bürgergeld und dem Einkommen ist in der Praxis so weit nivellieren, dass es erhebliche Fehlanreize im System gibt. 

Ein Beispiel: Ein Alleinstehender in Dresden mit einem geringen Bruttolohn und Teilzeitjob (1.000 Euro brutto) hat mit Transfers nach Miete 891 Euro. Würde er mehr arbeiten und 1.500 Euro verdienen, bleiben ihm 914 Euro. Der Lohnabstand von 23 Euro ist viel zu gering. Es gibt keinen großen Anreiz, mehr zu arbeiten und mehr zu verdienen. FUCHSBRIEFE sprachen dazu mit ifo-Forscher Maximilian Blömer.  

FUCHSBRIEFE: Herr Blömer, was genau haben Sie nachgerechnet?

Blömer: Wir haben vier typische Fallkonstellationen nachgerechnet. In allen Fällen (Single ohne Kinder, Single mit zwei Kindern, Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern, Doppelverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern) gibt es einen signifikanten Lohnabstand gegenüber dem Bürgergeld. 

FUCHSBRIEFE: Eine Kündigung, um das Bürgergeld zu beziehen, ist also nicht sinnvoll?

Blömer: In den allermeisten Fällen nicht. Zudem ist immer wichtig: Es gibt stets eine Bedürftigkeitsprüfung. Die persönlichen Vermögensverhältnisse sind für den Empfang des Bürgergeldes offenzulegen. Es hat also nicht jeder Haushalt einfach so Anspruch auf die Leistungen und auch nicht jede Miethöhe wird dauerhaft als angemessen akzeptiert.

FUCHSBRIEFE: Arbeit lohnt sich also immer? 

Blömer: Arbeit führt in Deutschland jedenfalls immer zu einem höheren Einkommen als Nichtstun. Wer arbeitet und alle Sozialleistungen in Anspruch nimmt, die ihm zustehen, hat immer mehr verfügbares Einkommen als jemand, der nicht arbeitet und nur Sozialleistungen bekommt.

FUCHSBRIEFE: Dennoch gibt es systemische Fehlanreize beim Bürgergeld und im Transfersystem?  

Blömer: Ja, die liegen im Niedrigeinkommensbereich daran, dass die Transfers bei Mehrarbeit schnell sinken. Ein Alleinstehender in Dresden mit einem geringen Bruttolohn und Teilzeitjob (1.000 Euro brutto) hat mit Transfers nach Miete 891 Euro. Würde er mehr arbeiten und 1.500 Euro verdienen, bleiben ihm 914 Euro. Der Lohnabstand von 23 Euro ist viel zu gering für die zusätzliche Arbeit. In diesem Fall besteht eine Niedrigeinkommensfalle. 

FUCHSBRIEFE: Was leiten Sie daraus ab?

Blömer: Das System sollte angepasst werden. Eine Reform ist aufgrund der teilweisen äußerst geringen Anreize zur Ausweitung bestehender Erwerbstätigkeit oder Erhöhung des Bruttoeinkommens notwendig. Vor allem die Kürzungen beim Zuverdienst sollten reduziert werden.

Fazit: Die Meldungen, dass sich Arbeiten immer mehr lohnt als Bürgergeld, sind verkürzt dargestellt. Das ifo zeigt auch, dass das Bürgergeld einen Konstruktionsfehler hat. Der sorgt dafür, dass die Anreize, mehr zu arbeiten und zu verdienen teilweise sehr gering sind. Das verhindert zusätzliche Beschäftigung.

Hinweis: Das ifo-Institut hat dem Arbeitsministerium Berechnungen vorgelegt, die zeigen, dass es im Transfersystem sich selbst finanzierende Reformmöglichkeiten gibt. Die sollen das Arbeitsangebot steigern und niemanden schlechter stellen. Wir sind gespannt, was das Arbeitsministerium aus diesen Berechnungen macht.

Meist gelesene Artikel
  • Fuchs plus
  • Stiftungsvermögen 2024: Partners VermögensManagement AG

Vorschlag der Partners wird als zu leicht befunden

Thumb Stiftungsvermögen 2024, © Grafik Redaktion Fuchsbriefe mit Envato Elements
Die Partners VermögensManagement AG führt sich bei der Stiftung Fliege mit einem ungewöhnlich ausführlichen und persönlich gehaltenen Anschreiben ein, das ein echtes Interesse an dem Mandat erkennen lässt. Der Vermögensverwalter geht bereits hier auf das bestehende Portfolio und den Veränderungsbedarf ein, erläutert Erfahrungen bei Stiftungsmanagement und nachhaltiger Vermögensanlage und garantiert die geforderte Ausschüttung für den Stiftungszweck. Ein toller Auftakt, der auf mehr hoffen lässt
  • Fuchs plus
  • Brückeneinsturz von Baltimore

Hafen von Baltimore wieder geöffnet

Verschwommenes Bild vom Hafen in Baltimore und Bild von einem Sperrschild verlaufen ineinander © Adobe Firefly, KI-generiertes Bild
Der Hafen von Baltimore ist wieder rund um die Uhr geöffnet. Auch größere Schiffe können den wichtigen Umschlagplatz an der Ostküste der USA nun wieder anlaufen.
  • Fuchs trifft Pferdchen, Der Geldtipp-Podcast, Teil 40

Geldtipp – Pferdchen trifft Fuchs: Wie man richtig reich werden kann

Geldtipp-Podcast. ©SpringerNature
Ein sorgenfreies Leben in Reichtum ist der Traum vieler Menschen. Pferdchen und Fuchs diskutieren in der 40. Folge des Geldtipp-Podcasts, welche Formen von Reichtum es gibt, wann Personen als reich gelten und wie sie diesen Traum verwirklichen können.
Neueste Artikel
  • Die Marke stirbt zuletzt

Das langsame Sterben der Traditionsmarken am deutschen Bankenmarkt

Fassade und Namensschild von Bethmann / ABN Amro. © Verlag FUCHSBRIEFE
Am deutschen Bankenmarkt werden die Karten neu gemischt. Der Konsolidierungsprozess unter den Privatbanken geht mit großen Schritten voran. Jüngster Fall: Die niederländische Großbank ABN Amro übernimmt Hauck Aufhäuser Lampe vom bisherigen Eigentümer, der chinesischen Fosun-Gruppe. Immer mehr Traditionsmarken im Private Banking verlieren so ihre relative Eigenständig. Zuletzt stirbt dann der Markenname.
  • Fuchs plus
  • Tschechien – Tschechische Krone

Krone aus Tschechien hat Potenzial

Die Wirtschaft in Tschechien leidet unter der deutschen Konjunkturschwäche. Das schlägt gerade auch auf die Verbraucher zurück, die ihren Optimismus zügeln. Die Notenbank kommt damit in eine Zwickmühle, denn die Inflation zieht kräftig an. Die Krone wird deshalb in Bewegung kommen.
  • Fuchs plus
  • Gutes oder schlechtes Zeichen für den Euro?

Zinsspreads zwischen Deutschland und Italien gibt Fehlsignal

Der Aufschlag für italienische gegenüber deutschen Staatsanleihen (Spread) sinkt kontinuierlich. Der Tiefpunkt im zurückliegenden 10-Jahreszeitraum kommt in Sichtweite. Ist das nun ein gutes Zeichen für Italiens Wirtschaftskraft und die langfristige Stärke des Euro?
Zum Seitenanfang