Volksparteien haben sich eingemauert
Die politischen Zentrifugalkräfte in Deutschland wachsen. Das zeigt sich an den Wahlumfragen, in denen vor allem die politischen Ränder stark sind und zulegen. Derweil igeln sich die klassischen Volksparteien immer weiter in der schrumpfenden Mitte ein und schließen eine Zusammenarbeit mit den politischen Rändern aus. Dieses Spiel auf Zeit wird nicht ewig funktionieren.
Diese Zerrissenheit Deutschlands und der Parteien zeigt sich schon vor dem heute (Montag) beginnenden CDU-Parteitag. Friedrich Merz, CDU-Parteichef und Kanzler-Kandidaten-Favorit, versucht, die Partei "in der Mitte der Gesellschaft" zu halten. Dabei geht es aber nicht so sehr um eine inhaltliche Positionierung der Union, sondern nur um die Frage, welche Koalitionen überhaupt noch denkbar und realistisch wären.
Das Problem der Volksparteien ist, dass sie keine Rezepte haben, um mit den gesellschaftlichen Zentrifugalkräften umzugehen. Es gelingt ihnen nicht, die Menschen, die sich gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich an die Ränder gedrängt fühlen, aufzufangen.
CDU sucht Koalitionspartner und baut Brandmauern gegen politische Ränder
Die Debatten vor und auf dem CDU-Parteitag zeigen, dass die erfolgreiche politische Positionierung in der Mitte als Garnt für eine Mehrheitsbeschaffung eine "Mission impossible" geworden ist. CDU-Generalsekretär Karsten Linnemann lobte erneut das neue CDU-Grundsatzprogramm. Es ist konservativ und soll helfen, Friedrich Merz zum nächsten Kanzler zu machen. Zugleich zog Linnemann eine Abstandslinie zu den Grünen. Eine Koalition mit der Öko-Partei sei für ihn ausgeschlossen.
Einige CDU-Länderchefs haben erkannt, dass sich die Union politisch selbst eingemauert hat. Gegen die AfD hat sie eine "Brandmauer" hochgezogen. Auch mit den Linken sei keine Zusammenarbeit möglich. Daran ändert auch der Vorstoß von Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein nichts, der für einiges Aufsehen gesorgt hatte. Günther hatte betont, die Linke stelle keine Gefahr für die Demokratie dar.
Volksparteien igeln sich in der Mitte ein
Auch die anderen Parteien - SPD, Grüne, FDP - haben sich ähnlich verbarrikadiert. Dabei hatten sie die politisch völlig veränderte Parteienlandschaft aber offenbar ebenfalls überhaupt nicht im Blick. Alle Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Die SPD bleibt auf Distanz zur Linken. Eine Zusammenarbeit mit dem BSW (Bündnis Sarah Wagenknecht) kommt noch weniger infrage.
Aktuelle Umfragen zeigen, dass es immer schwieriger wird, mit den traditionellen Koalitionen parlamentarische Mehrheiten zu organisieren. In allen drei anstehenden Landtagswahlen (Brandenburg, Sachsen, Thüringen) liegt die AfD derzeit als stärkste Kraft vorn - teils über 30%. Zweitstärkste Kraft ist die Union, in Brandenburg die SPD. Die FDP wird in den Ländern wieder zum Nonvaleur und fliegt aus den Parlamenten raus. Den Grünen droht das gleiche Schicksal in Thüringen und Sachsen. Dagegen wird das BSW in allen drei Ländern zweistellig.
Fazit: Die Volksparteien, die sich in der Mitte der Gesellschaft positionieren wollen, brauchen künftig ebenfalls starke oder deutlich mehr Koalitionspartner. So lange alle eine Zusammenarbeit mit politischen Rändern ausschließen, wird es auf CDU/SPD-Koalitionen hinauslaufen, möglicherweise mit den Grünen als Mehrheitsbeschaffer gegen immer größer werdende Ränder. Diese Parteien werden eine starke Opposition, die erhebliche Veränderungsdruck erzeugen wird.