Geschenktes Wachstum
Deutschlands Wirtschaft ist der große Profiteur der vielen Marktverwerfungen. Das größte Risiko liegt darin, dass sich die Firmen davon einlullen lassen.
Die deutsche Wirtschaft muss jetzt aufpassen, dass sie sich nicht einlullen lässt. Denn von allen Seiten entfällt Wettbewerbsdruck – vor allem innerhalb der Eurozone. Seitdem können Italiener, Franzosen sowie Spanier mangelnde Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr über eine Abwertung ausgleichen. Dazu kommen die Subventionen für die energieintensiven Unternehmen in Deutschland. Geradezu traumhaft günstig ist der Preis fürs Öl. Ebenso traumhaft sind die Finanzierungskonditionen. Und jetzt kommt noch ein stark abwertender Euro hinzu. Er macht deutsche Waren im Ausland immer günstiger. „Die deutsche Wirtschaft bekommt Wachstum derzeit geschenkt.“ Das meint Michael Wolgast, Chefvolkswirt beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Allein der Ölpreis- und Währungseffekt mache voraussichtlich 0,5 bis 0,7 Prozentpunkte aus. Die Prognosen hätten sich innerhalb von acht Wochen von 1% auf bis zu 1,7% nach oben geschraubt. Dies hatten wir in unserer Weihnachtsausgabe erwartet. Die äußerst günstigen Rahmenbedingungen, besonders die Finanzierungsbedingungen und Absatzchancen, sollten für die Unternehmen der letzte Anstoß sein, zu investieren. Denn: Risiken gebe es immer, selten aber so gute Konditionen. Die Schweiz führt nach dem Wechselkurs-Schock vom vergangenen Donnerstag eine intensive Wettbewerbs-Debatte. Viele Unternehmenschefs hätten sich auf eine Wechselkurs-Untergrenze von 1,20 Franken je Euro verlassen. Sie hätten geglaubt, dass die SNB für sie permanent die Wechselkurs-Kastanien aus dem Feuer holt. Allerdings wären auch einige Unternehmen vorausschauend gewesen. Sie hätten für ihre Geschäftspläne mit einem durchschnittlichen Frankenkurs von 1,10 zum Euro kalkuliert, heißt es in Wirtschaftskreisen des Alpenlandes. Auch die deutschen Firmen müssen damit rechnen, dass von den Finanzmärkten weitere Schocks drohen, die sie treffen können. So beklagt der ehemalige Chefvolkswirt der Bank der Zentralbanken BIZ, William White, das globale Finanzsystem sei „zutiefst zerrüttet. Heute ist das internationale Geldsystem ohne Anker. Das ist gefährlich“. Auch der DSGV fürchtet einen Abwertungswettlauf der großen Währungen. Dabei käme der weiche Euro insbesondere der deutschen Wirtschaft, weniger aber den Peripheriestaaten zugute. Diese bräuchten einen solchen Anschub viel eher.
Fazit: Die derzeit freundlichen Rahmenbedingungen zu genießen, ist verständlich. Doch auch dem Euroraum drohen Schocks. Daher ist es entscheidend für die Unternehmen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit im Blick zu behalten und zu investieren.