Auch Nonsens hilft manchmal gegen Haftungsbescheide
Selbst sinnlose Schriftstücke können als Einspruch gegen einen erlassenen Bescheid gewertet werden. Das verschafft Steuerzahlern unter Umständen zusätzliche Zeit, um die sie belastenden Bescheide anzugreifen. Das hat das Finanzgericht Münster, unter Heranziehung des BGB, jetzt bestätigt.
Prozessvertreter bezeichnete Schreiben nachträglich als Einspruch
Im verhandelten Fall hatte ein Bescheidempfänger es versäumt einen Widerspruch fristgerecht einzureichen. Es handelte sich um einen Gesellschafter mit Haftungsbescheiden für Steuerschulden einer KG. Der informierte zwar seinen Prozessvertreter darüber, dass da "etwas gekommen sei", legte ihm aber die Bescheide nicht vor. Der Prozessvertreter schrieb innerhalb der Einspruchsfrist etwas Inhaltliches zur seiner Meinung nach vorzufindenden Rechtslage. Als Einspruch kennzeichnete er das Schreiben nicht.
Als der Prozessvertreter dann das ganze Ausmaß erkennen musste, griff er zu einem Trick. Er schrieb an das Finanzamt, sein Schreiben sei als Einspruch zu werten. Das Finanzamt jedoch witterte Morgenluft und lehnte genau das wegen Fistablaufs ab. Da blieb bei den belastenden Summen nur der zunächst relativ aussichtslose Gang vor Gericht.
Das Finanzgericht warf den Klägern einen Rettungsring zu
Mit einem kühnen Rechtschluss heilte das FG die Sache. Da das gesamte Steuerverfahrensrecht nichts hergab, zog das Gericht tatsächlich das BGB heran. Nach dessen § 140 kann nämlich ein nichtiges Rechtsgeschäft tatsächlich in ein wirksames umgedeutet werden. Das machte das Gericht, ließ die Einsprüche gelten und hob dann auch noch gleich die Bescheide auf.
Fazit: Bestandskräftige Bescheide sind nur noch schwer zu Fall zu bringen. Doch jetzt scheint sogar das Zivilrecht in das Steuerverfahren Einzug zu halten. Wer zu diesem Strohhalm greifen muss, sollte das kuriose Urteil kennen. Besser ist allerdings, innerhalb der Einspruchsfristen gleich alles richtig zu formulieren.
Urteil: FG Münster, 8 K 1080/21
https://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/muenster/j2023/8_K_1080_21_Urteil_20230112.html