Bedarfsbewertung: Extremwerte im Mietspiegel zählen
Bei der Bedarfsbewertung eines Mietwohngrundstücks mittels Mietspiegel zählen die Extremwerte, nicht der Mittelwert! Relevant wird dies für die Ermittlung der Erbschaft- und Schenkungsteuer im Ertragswertverfahren. Und zwar dann, wenn geklärt werden muss, ob die im Mietvertrag vereinbarte Miete um mehr als 20% von der üblichen Miete abweicht.
In der Praxis kommt es (mit dem Finanzamt) nicht selten zum Streit darüber, ob die vereinbarte Miete um 20% von der ortsüblichen Miete abweicht. Unproblematisch ist diese Frage dann zu beantworten, wenn in einem Vermietungsobjekt mehrere gleichartige Wohnungen existieren. Dann liegt ein unmittelbares Vergleichsobjekt vor.
Äußere Punkte der Spanne des Mietspiegels relevant
Im Fall der Heranziehung von Mietspiegeln ist auf die unteren bzw. oberen Spannenwerte des Mietspiegels und nicht auf den Mittelwert abzustellen. Das hat der BFH jetzt klargestellt. Nur wenn die vereinbarte Miete um mehr als 20% unter dem unteren oder um mehr als 20% über dem oberen Spannenwert des Mietspiegels liegt, ist statt der konkret vereinbarten Miete der Mittelwert der Mietspiegelmiete bei der Ermittlung des Rohertrags des Grundstücks als Berechnungsgrundlage für den Erbschaft- oder Schenkungsteuerwert der Immobilie anzusetzen.
Kläger erbt gut vermietetes Gebäude mit 14 Einheiten
Im Urteilsfall ist der Kläger Erbe seiner im Februar 2012 verstorbenen Mutter. Zum Nachlass gehörte unter anderem ein Grundstück, das mit einem Gebäude mit 14 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit bebaut war. Schon vor dem Tod der Mutter war der Kläger zu einem Drittel Miteigentümer dieses Grundstücks. Durch den Erbfall hat er dementsprechend den Bruchteil von zwei Dritteln, der seiner Mutter gehörte, hinzuerworben.
Die Immobilie war gut vermietet, die Nettokaltmiete lag durchgehend über der ortsüblichen Miete für vergleichbare Wohnungen bzw. Gewerbeeinheiten laut dem örtlichen Mietspiegel. Der Mann ging bei der 20%-Grenze für die Erbschaftsteuer für die hinzugeerbten Immobilienanteile von dem im örtlichen Mietspiegel für die Lage ausgewiesenen Mittelwert aus. Diesen Mittelwert überschritt die tatsächlich kassierte Miete bei 11 der 15 geerbten Einheiten um mehr als 20%. Daher wollte der Mann bei diesen 11 Wohnungen bzw. der Gewerbeeinheit für die Erbschaftsteuer von dem Mittelwert und nicht der tatsächlich kassierten Miete ausgehen. Das hätte zu einer deutlich niedrigeren Erbschaftsteuer geführt.
Finanzamt darf Extremwerte heranziehen
Das Finanzamt hat aber nach dem BFH-Urteil für die 20%-Grenze zutreffend nicht auf den Mittelwert, sondern auf den obersten Wert des örtlichen Mietspiegels für vergleichbare Wohnungen bzw. Gewerbeeinheiten in vergleichbarer Lage abgestellt. Bezogen auf den obersten Spannenwert des Mietspiegels lag die tatsächlich vereinbarte Miete nur bei zwei der 15 Einheiten um mehr als 20% höher. Deswegen ist jetzt für 13 der 15 Einheiten bzw. die insoweit geerbten Miteigentumsanteile die tatsächlich kassierte Miete Berechnungsgrundlage für die Erbschaftsteuer.
Hintergrund: Vermietete Immobilien werden für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer grundsätzlich nach dem Ertragswertverfahren bewertet. Wesentliche Berechnungsgrundlage sind dabei die im Mietvertrag vertraglich vereinbarten Mieten. Weicht jedoch die konkret vereinbarte Miete um mehr als 20% von der üblichen Miete ab, ist ausnahmsweise die „übliche Miete“ anzusetzen. Die ortsübliche Miete ist nach der gesetzlichen Vorgabe in Anlehnung an die Miete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Betriebskosten sind dabei nicht einzubeziehen.
Ableitung der üblichen Miete
Die übliche Miete kann nach Auffassung der Finanzverwaltung aus Vergleichsmieten oder Mietspiegeln abgeleitet werden. Alternativ kommen die Zuhilfenahme einer Mietdatenbank (§ 558e BGB) als Schätzgutrndlage oder ein Mietgutachten infrage. Liegt ein Mietspiegel vor, kann darauf zurückgegriffen werden.
Der örtliche Mietspiegel weist regelmäßig eine bestimmte Bandbreite aus. Das heißt: Es gibt für vergleichbare Wohnungen eine Mittelwert sowie eine obere Grenze und eine untere Grenze, die gerade noch als ortsüblich angesehen wird.
Fazit: Die Festlegung des BFH bedeutet für Immobilieneigentümer mit gut vermieteten Einheiten im Erbfall einen deutlichen steuerlichen Nachteil.
Urteil: BFH, II R 41/16