Beratungsgespräche werden aufgezeichnet
Hinter den Kulissen der Banken und Vermögensverwalter herrscht derzeit Hektik. Grund: Ein „Regulierungsmonster" namens MIFID 2 und weitere Verordnungen treten 2018 in Kraft. Die Stichworte lauten z. B. „LEI" und „Taping". Etliches davon werden Anleger bald zu spüren bekommen. Hier wichtige Neuerungen.
Identifier
Wer Wertpapiergeschäfte betreibt, muss ab Jahres-beginn 2018 anhand eines Codes identifiziert werden können. Dabei ist es egal, ob der Anleger eine natürliche oder juristische Person ist, ob er einen Verwalter beauftragt hat oder auf eigene Faust handelt.
Natürliche Personen benötigen eine Client Identifier (CI). Sie wird i.d.R. aus den bekannten Identifizierungsdaten wie dem Geburtsdatum errechnet. Zum Glück müssen Privatanleger daher nichts weiter tun – außer zur Kenntnis zu nehmen, dass je-de Wertpapiertransaktion namentlich mit ihnen verknüpft ist.
LEI für juristsiche Personen
Juristische Personen werden durch einen LEI identifiziert. Dieser Legal Entity Identifier ist eine 20-stellige Zahlenkombination. Der LEI ist ver-pflichtend. Daher müssen Kapitalgesellschaften, Personenhandelsgesellschaften, aber auch Stiftungen und Gesellschaften bürgerlichen Rechts bis zum Jahresende aktiv werden und den LEI beantragen, wenn sie Wertpapiere haben.
Das kostet knapp 100 Euro und muss jedes Jahr (kostenpflichtig) verlängert werden. Registrierungsmöglichkeiten gibt es z. B. über die Portale www.wm-leiportal.org oder www.lei.direct. Wer keinen LEI hat, für den gilt ab Anfang Januar: Depot stillgelegt!
Taping: Mitschnitt garantiert
Künftig kann es passieren, dass der Bankberater mitten im Telefonat sagt: „Stopp! Ich muss erst die Aufnahmetaste drücken!" oder „Leider können wir jetzt nicht mehr weiter telefonieren. Können Sie bitte auflegen und auf einer anderen Telefonnummer durchrufen? Nur unter der Nummer darf ich Sie beraten!"
Hintergrund: Künftig müssen alle (!) telefonischen Anlageberatungen aufgezeichnet und archiviert werden („Taping"). Dem darf sich kein Anleger und kein Berater entziehen. Sicher ist, dass damit Unmengen an Daten produziert werden.
Unsicherer Nutzen
Unsicher ist, welchen Nutzen dies am Ende haben wird. Nach aktueller Rechtsauffassung gilt die Vorschrift nur für Beratungen zu konkreten Wertpapieren (sog. „Anlageberatungen"). Vermögensverwaltungen sind davon nicht betroffen. Relevant ist es aber z. B. bei Beratungen zu Beteiligungsprodukten wie geschlossenen Fonds oder Mezzanine-Kapital.
Das Problem: Niemand weiß derzeit, wie groß der Umfang der Aufzeichnungen sein soll. Unklar ist, ob das ganze Gespräch dokumentiert werden muss (z. B. auch der Gedankenaustausch über den letzten Urlaub) oder nur die konkrete Anlageberatung.
Damit stellt sich die Frage, ob die Anlageberatung überhaupt noch durchgeführt werden kann. Dazu zählt auch die Empfehlung, ob ein Fonds verkauft oder gehalten werden soll. Anleger sollten überlegen, ob sie mit ihrem Berater noch telefonieren wollen, wenn vertrauliche Gesprächsinhalte plötzlich für Jahre auf Speichermedien abrufbar sind.
Und Banken und Anlageberater werden prüfen müssen, ob sie ihre Dienstleistungen einschränken oder sogar ganz einstellen müssen. Denn das Haftungspotenzial wegen nicht eingehaltener Formalitäten (keine Auf-zeichnung) ist hoch.
Vermögensverwaltung
Ab 2018 muss für jeden Kunden der Vermögens-verwaltung eine Kostenkalkulation stattfinden, die vor der eigentlichen Anlage erfolgt. Anschließend muss der Verwalter prüfen, ob diese Kosten auch eingehalten wurden. Die Daten müssen in Prozent und in Euro genannt und dem Kunden zur Verfü-gung gestellt werden.
Dies ist grundsätzlich ein guter Ansatz für mehr Transparenz. Aber eventuell schießt er übers Ziel hinaus. Denn eine andere, längst überfällige Maßnahme sorgt ab 2018 wirkungsvoll für die Vermeidung von Interessenskonflikten:
Vermögensverwalter, die für ihre Kunden eigenverantwortlich das Geld managen, sind künftig „Honorarberater". Sie dürfen keine anderen Einnahmen außer ihrem Vermögensverwaltungshonorar erhalten, das der Kunde zahlt.
Kalkulationen infrage gestellt
Das stellt die Kalkulation vieler Banken und unabhängigen Vermögensverwalter auf den Kopf. Denn viele Geschäftsmodelle basierten auf zusätzlichen Erträgen aus Bestandspflegeprovisionen aus Fonds und aus Umsatzbeteiligungen bei Transaktionsgebühren. Das entfällt nun ersatzlos. Folglich steigt vielerorts die Vermögensverwaltungsgebühr. Der Kunde freut sich über die Kickbacks, die nun ihm gehören, oder über geringere Transaktionskosten.
Transparenzregister
Um die Geldwäsche einzudämmen, wurde das Transparenzregister eingeführt (transparenzregister.de). Privatanleger sind meist nicht betroffen. Aber: Vorstände von Stiftungen und Vereinen sind in der Pflicht, „ihre" Stiftung und „ihren" Verein anzumelden und die aktuellen Personen im Vorstand zu be-nennen. Wer das bisher nicht gemacht hat, ist spät dran. Stichtag war bereits der 1.10.2017. Ob der Ver-ein oder die Stiftung Kunde einer Bank ist, spielt übrigens keine Rolle. Das Gesetz gilt für alle.
Fazit: Es kommen massive Veränderungen in der Vermögensberatung und –verwaltung, die der Anleger merken wird. Am Ende werden die Mehrkosten der Regulierung vom Anleger getragen werden oder der Leistungsumfang der Beratungshäuser wird eingeschränkt. Ob dies die eigentlich gewünschte Erhöhung der Beratungsqualität mit sich bringt, ist mehr als fraglich.