Das Finanzamt darf Steuererklärung nicht einfach korrigieren
Das Finanzamt darf einen Fehler im bestandskräftigen Steuerbescheid nicht einfach nachträglich korrigieren. Jedenfalls dann nicht, wenn es sich nicht um ein ganz offensichtliches Versehen gehandelt hat. Im Zweifel heißt der Steuerzahler dann Hans im Glück.
Und um diesen Fall ging es in einem Verfahren vor dem höchsten Finangericht (BFH). Der Kläger hatte eine GmbH-Beteiligung verkauft und dabei 132.900 Euro Gewinn gemacht. Davon hätte er nach § 17 des Einkommensteuergesetzes unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens 60% (79.740 Euro) versteuern müssen. In der Steuererklärung hatte der Mann alles korrekt angegeben.
Das Finanzamt schlampte
Doch dann schlampte das Finanzamt. Und das, obwohl dort gleich drei verschiedene Personen – der Veranlagungssachbearbeiter, die Bearbeiterin der Qualitätssicherungsstelle und die Sachgebietsleiterin – mit der Bearbeitung des Falles befasst waren. Eine von ihnen trug den vom Steuerpflichtigen richtig erklärten Veräußerungsgewinn für die EDV-Bearbeitung in eine falsche Kennziffer ein. Dadurch wurde im bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid 2011 im Ergebnis der Veräußerungsgewinn nicht besteuert. Später bemerkte das Finanzamt bei einer Betriebsprüfung den Lapsus und änderte den Einkommensteuerbescheid 2011 nach § 129 AO, um den Gewinn nachträglich zu besteuern.
Dazu war das Finanzamt aber nicht mehr befugt! Es lag kein Fall einer offenbaren Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO vor, so der BFH. Es ließ sich nicht mehr aufklären, welche von den drei im Finanzamt beteiligten Personen die falsche Eintragung tatsächlich vorgenommen hatte. Die Sachgebietsleiterin gab an, nur eine Plausibilitätsprüfung, nicht aber eine echte Inhaltkontrolle der Prüfberechnung vorgenommen zu haben. Definitiv ist aber die durch einen EDV-gestützten Prüfhinweis als „Intensivprüffall“ eingestufte Einkommensteuerveranlagung durch mindestens zwei Bearbeiter der Finanzamts inhaltlich geprüft und bearbeitet worden.
Viele Köche verderben den Brei
Da schon nicht geklärt werden konnte, wer die unrichtige Eintragung vorgenommen hat, kann auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, so der BFH, dass dem Fehler falsche rechtliche Erwägungen zugrunde lagen. Es bleibt daher zugunsten des Klägers dabei, dass der Veräußerungsgewinn in Höhe von 132.900 Euro nicht besteuert worden ist.
Eine offenbare Unrichtigkeit liegt aber nicht vor, wenn die nicht nur theoretische Möglichkeit eines Fehlers bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, also eines Rechtsfehlers besteht. Ebenso nicht bei einer unrichtigen Tatsachenwürdigung oder bei der unzutreffenden Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Auch nicht bei Fehlern, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Oder bei Denkfehlern bei der Sachverhaltswürdigung.
Wie immer gilt die Einzelfallprüfung
Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden. Die revisionsrechtliche Prüfung durch den BFH beschränkt sich darauf, ob das Finanzgericht im Rahmen der Gesamtwürdigung von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist. Ob es alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat.
Fazit: Ist eine Steuererklärung erst einmal bestandskräftig, hat auch das FA kaum noch eine Chance, daran zu rütteln.
Urteil: BFH, IX R 23/18