Ein Tender gegen die Klemme
Der von den meisten Beobachtern erwartete negative EZB-Einlagenzins zielt vor allem auf die Belebung des europäischen Interbanken-Marktes. Denn dieser hat sich trotz der Beruhigung der Eurokrise immer noch nicht erholt. Nur 24% aller Kredite zwischen Banken waren zuletzt grenzüberschreitend. Bis zum Ausbruch der Krise 2008 waren es noch weit über 30%. Ein negativer Einlagezins würde die Anreize für Banken erhöhen, überschüssige Liquidität lieber an andere Banken für einen geringen Zins ausleihen, als dieses Geld mit Verlust bei der Zentralbank zu parken. Der Negativzins ist also als eine Art „Parkgebühr“ zu verstehen.
Ein funktionierender Interbanken-Markt ist wichtig für die Kreditvergabe an die Realwirtschaft. Er ist notwendig, damit sich Banken untereinander kurzfristig Liquidität leihen können. Friert der Interbanken-Markt ein – wie in der Krise 2008/09 geschehen – gerät auch die Kreditvergabe in die Wirtschaft ins Stocken, weil die Banken Liquiditätsengpässe bekommen. Das akute Problem der stockenden Kreditvergabe an Unternehmen in der Euro-Peripherie wird durch einen Negativzins aber kaum behoben. Diese ist vor allem Folge der Bilanzanpassungen bei den Banken und nun seit fast zwei Jahren rückläufig. Im April ging das Kreditvolumen im Vergleich zum Vorjahr um weitere 2,8% zurück (März: -3%).
Die Kreditklemme wird die EZB mit einer anderen Maßnahmen zu lösen versuchen. Ganz hoch steht bei den Währungshütern ein sogenannter konditionierter Langfristtender im Kurs. Das Prinzip: Banken bekommen für einen längeren Zeitraum (wohl mindestens ein Jahr) extrem günstig Geld von EZB geliehen – aber nur unter der Bedingung, dass sie dieses Geld auch an Unternehmen weiterverleihen.
Fazit: Die EZB wird aktiv versuchen, die Kreditmärkte zu unterstützen. Offen ist nur noch, ob sie diese Maßnahmen bei der Sitzung am nächsten Donnerstag (5.6.) oder zu einem späteren Zeitpunkt verabschieden wird. Negativzins und/oder Langfristtender werden die Finanzierungsbedingungen hauptsächlich für Unternehmen in der Euro-Peripherie verbessern.