Die europäischen Statistikbehörde hat die Inflationsrate für Oktober in einer ersten Schätzung mit null Prozent ausgewiesen. Der zweigeteilte Inflationstrend der Vormonate setzt sich fort. Energie wurde erneut billiger (-8,7% ggü. Vj.), alle anderen Preissegmente verteuerten sich. Die Preise für Industriegüter, Dienstleistungen und auch Lebensmittel kletterten im Jahresvergleich weiter. Die Kerninflationsrate liegt aktuell bei 1%.
Aus dieser Konstellation ergibt sich ein verstecktes Inflationspotenzial. Denn der Sinkflug der Energiepreise wird sich nicht ewig fortsetzen. Sichtbar wird das am Ölpreis. Der ist beispielsweise für die Sorte Brent von 125 US-Dollar pro Fass im Februar 2012 auf 50 US-Dollar je Barrel gefallen. Allerdings stabilisiert sich der Preis des Schwarzen Goldes seit Jahresanfang etwa auf diesem Niveau.
In dem Maße, wie die Abwärtsbewegung der Energiepreise ausläuft, verringert sich ihr statistisch negativer Einfluss auf die Inflationsrate. Angesichts des bevorstehenden Winters ist ohnehin mit leicht steigenden Energiepreisen zu rechnen. Wir gehen davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich diese auch in der Inflationsrate zeigen. Sie dürfte Mitte nächsten Jahres in Europa eher bei 0,5% liegen (zum Jahresende bei 1%) als bei Null. In Deutschland wird sie voraussichtlich höher sein.
Die Zinsmärkte werden diese Entwicklung vorweg nehmen. Da es sich um einen rein statistischen Effekt handelt, ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Märkte diese Entwicklung vorausahnen werden. Erste Indizien, dass die Zinsen kaum noch Luft nach unten haben, gibt es bereits. Die Rendite der 10-jährigen deutschen Staatsanleihen ist nach ihrem Ausbruch im Frühjahr zwar erneut gesunken. Sie fällt aber offenbar nicht mehr unter die Marke von 0,5%. Auch bei Tages- und Festgeld bildet sich seit gut drei Monaten ein Zinsboden aus. Für Tagesgeld gibt es im Durchschnitt 0,32%. Für Festgeld liegt der Durchschnittszins bei 0,51% (2 Jahre) und bei 0,63% (3 Jahre).
Dass die Finanzierungskonditionen ihren Boden erreicht haben, deutet auch die ifo-Kredithürde an. Auch diese bewegt sich letztlich seit der Jahresmitte seitwärts, schwankt praktisch nur im statistischen Bereich marginal um den Wert von 15. Das heißt, dass 15% der 4.200 von ifo befragten Unternehmen angeben, die Kreditvergabe der Banken als restriktiv zu empfinden. Für große Unternehmen liegt der Wert bei 9,4, bei kleinen Firmen bei 17,8.
Fazit: Die Energiepreise vernebeln die Inflationsrate und verzerren sie nach unten. Akuter Handlungsdruck besteht zwar noch nicht. Günstiger werden Finanzierungen aber auch nicht mehr werden.