Lieferantenwechsel - aber wie?
Der Wechsel von Lieferanten birgt viel Potenzial. Nur bedeutet er erheblichen Aufwand. Viele Unternehmen packen ihn deshalb nicht an. Wir sagen Ihnen, wie Sie den Prozess in Gang bringen und am Ende Geld sparen.
Commodities
Relativ einfach ist ein Wechsel beim Einkauf von Commodities, also Produkten, die definierten Standards (wie DIN/ISO-Normen) entsprechen und in der Handelsstufe eingekauft werden. Hier besteht keine inhaltliche Abhängigkeit. Eventuell sind neue IT-seitige Verknüpfungen nötig. Katalog-Engines und/oder Plattformen gestatten einen unkomplizierten Lieferantenwechsel. Zu beachten (neben „hartem Preis“ und Verfügbarkeit) sind weiche Faktoren wie Sortimentsbreite, Artikelverfügbarkeiten, Lieferlosgrößen, Logistikprozesse. Wir raten dazu, Rahmenbedingungen und Mindestanforderungen in Handbüchern zu definieren und zentral online verfügbar zu machen. Inhalt u.a.: Qualität, Q-Sicherung, Logistik, Lieferpläne, Messbarkeit.
„Specs“
Bei Rohstoffen, Chemikalien, Hilfs- und Betriebsstoffen etc. liegt die Komplexitätsfalle oft in der Spezifikation („Specs“). Der deutsche Ingenieur will meist „das Beste“, obwohl Industriestandard reicht. Oft wird „pharma grade“ bestellt (extrem teuer), obwohl unnötig. Hinzu kommt Unkenntnis. Beispiel: Schwefelsäure wird auch als „Batteriesäure“ bezeichnet, obwohl kein Unterschied besteht. Auch das erschwert Wechsel. Es lohnt also, mehr Wissen über Specs zu sammeln.
Strategischer Lieferant
Am schwierigsten ist der Wechsel bei strategischen Lieferanten. Hier kümmert man sich eher um gemeinsame Vorlieferanten (Tier 2 und 3). Entwicklungspartner löst man nur ab, wenn sie straucheln, wenn es disruptive Technologiesprünge gibt, oder wenn man Schlüsselkompetenzen wieder insourcen möchte. Der Schlüssel: hohe Sorgfalt bei Lieferantenauswahl, -management, -entwicklung und Risikomanagement.
Beispiel: zeichnungsgebundene Teile
In Sachen Fräsen, Drehen, Schleifen, Bohren, Stanzen, Biegen wird es schwierig, wenn spezielles Fertigungsequipment oder extrem hohe Genauigkeit oder Flexibilität erforderlich sind. Zeichnungsgebundene (auch: werkzeugfallende) Teile werden vor Serienfertigung stufenweise als Muster getestet. Gehört die Form (aus Kunststoffspitzguss, Zink-, Aluminiumdruckguss) dem Auftraggeber, wird ein Wechsel später einfacher. Das Werkzeug wird in der Regel mit einem Lieferanten entwickelt, der es später in Serie einsetzt. Wie man einen Lieferantenwechsel managt, zeigt ein Beispiel aus der Möbelindustrie (Baden-Württemberg).
Die GMVK Procurement GmbH (Essen) lieferte neben der wertanalytischen Untersuchung der Teile interessante „Nebenerkenntnisse“. Der Lieferant hat das eingesetzte Kunststoffmaterial mystifiziert, was dem Möbelhersteller einen realen Kostencheck unmöglich machen sollte. Und: Geliefert wurden Teile in Werkzeugen mit einer zu geringen Anzahl an Kavitäten (Teilenester). Produziert wurden pro Schuss nur 2 bis 4 Spritzgussteile, obwohl 16 bis 32 möglich gewesen wären. Ergo: Hier lief alles auf einen Lieferantenwechsel hinaus.
- Weiterer Verlauf:
- Identifiziert wurde zunächst ein neuer Kandidat, der (bei Verlagerung des bestehenden Werkzeugs) die benötigte hohe Stückzahl leisten könnte, das aber bei viel zu hohem Preis = Absage.
- Entscheidung für Neukonstruktion eines Werkzeugs mit deutlich höherer Anzahl an Kavitäten (laut Analyse rentabel) und Erstellung eines Musterwerkzeugs, mit Check der Leistungsfähigkeit des künftigen Lieferanten.
- Schrittweise Verlagerung der Teile zum neuen Partner. Wichtig: Eine Verlagerung bei kleineren Stückzahlen hätte sich nicht rentiert.
- Lieferantenfindung: Via Plattform TechPilot (digitaler Vertriebskanal für Fertiger; 16.000 registrierte Einkäufer) wurde der Wettbewerb unter den Lieferanten für Dreh- und Frästeile intensiviert. Die gefundenen Partner wurden durch den Einkauf entsprechend qualifiziert.
Weiterer Kostenhebel
Einen weiteren Kostenhebel hatte der Möbelproduzent bereits selbst aktiviert: Mit einem Entwicklungspartner wurden zuvor spanabhebend gefertigte Teile auf Druckgussmontageteile umgestellt. Folge: signifikant höhere Produktivität, effizientere Materialausnutzung, erhebliche Kostenvorteile.
Final ergab sich eine Kostenreduktion um rund 10% auf das Gesamteinkaufsvolumen. Erhofft hatte man sich 6%. Der Büromöbelproduzent aus Baden-Württemberg plant bei Entwicklung, Prototypenbau und Ersatzteilversorgung in Zukunft auch mit 3-D-Druck.
Fazit: Lieferantenmanagement bedeutet nicht, Lieferanten lediglich zu verwalten. Jeder gehört regelmäßig auf den Prüfstand. Ihr Einkauf sollte in der Lage sein, auch Produktionsverfahren zu verstehen. Er muss Wertbeiträge über den reinen Preis hinaus bringen.
Hinweis: Unser Artikel in der Online-Fassung beschreibt die Vorgehensweise ausführlicher.