Verhilft Corona der Telearbeit zum Durchbruch?
Die nächsten Monate werden auch ein Experiment sein, ob neue Technologien neue Formen des (Zusammen-)Arbeitens etablieren. Manches Büro wird sich neu erfinden. Unternehmen fragen sich zusehends, ob sie Mitarbeiter reisen und an Konferenzen teilnehmen lassen. Die Fahrten ins Büro werden eingeschränkt. Große Firmenveranstaltungen, Events, Seminare und Messen werden abgesagt oder verlegt. Das größte jährliche Zusammenkunft der Ölindustrie in Houston und der Genfer Autosalon, die ITB, die Leipziger Buchmesse, um nur wenige bedeutende Veranstaltungen zu nennen, wurden abgesagt.
Ersatzweise wandern die Veranstaltungen ins Internet. Armani nahm seine Herbst- / Wintershow, die hinter verschlossenen Türen stattfand, kurzerhand auf, nachdem die Modewochen in Mailand und Paris verkürzt worden waren. Apps zur Teilnahme an Video-Chats boomen. Sie werden in diesen Monaten Entwicklungssprünge machen und immer mehr „Live-Feeling“ an den Arbeitsplatz holen: Live-Gespräche, Präsentationen, Veranstaltungsräume werden visualisiert, Interaktionen per Text, Sprache , Umfrage ermöglicht.
Telearbeit erlebt einen Boom – hält er dauerhaft an?
Immer mehr Unternehmen satteln auf Telearbeit um. Dazu werden die vorhandenen Möglichkeiten der Mitarbeiter zunächst gecheckt und auf Freiwilligkeit gesetzt. Telearbeit kann in dieser Situation aber auch angeordnet werden – vor allem bei Risikogruppen unter den Mitarbeitern (Alter, bekannte Vorkrankheiten). JPMorgan Chase forderte gleich Tausende seiner Banker in Amerika auf, von zu Hause aus zu arbeiten. Twitter hat ebenfalls seine 5.000 Mitarbeiter gebeten, dies zu tun. Sony schloss einige seiner europäischen Büros ganz. Die Arbeitnehmer sollen Telearbeit/Homeoffice machen.
Viren-Notfallpläne zeigen, wie aufgebläht einige Reisebudgets sind. Sie belegen zudem, wie ineffizient Büroflächen genutzt werden. Große britische und amerikanische Firmen zahlen durchschnittlich 5.000 USD pro Mitarbeiter an jährlichen Mietkosten. Das hat der Economist recherchiert. Nur 40-50% der Schreibtische werden tatsächlich während der Arbeitszeit verwendet.
Gewinner und Verlierer des Umbruchs
Wie immer wird es Gewinner und Verlierer der möglicherweise dauerhaften Neujustierung geben. Die gesamte Reise- und Seminarbranche muss sich möglicherweise auf ein dauerhaft verändertes Kundenverhalten einstellen. Aber auch Entwickler und Eigentümer von Büroflächen könnten dauerhaft zu den Verlierern gehören. Denn ein Ergebnis der Notfallphase könnte sein, dass die Produktivität nicht sinkt oder sogar steigt. Das könnte Telearbeit unwiderstehlich erscheinen lassen.
Investoren setzen bereits auf diese Trends. Im Februar sind die Aktienkurse von Slack, einer Unternehmensnachrichtenplattform, und Zoom, einer Videokonferenzsoftware, um 18% bzw. 35% gestiegen. Dagegen sind die Kurse von Eventfirmen wie Informa seit Anfang Februar um ein Fünftel und mehr gefallen.
Fazit: Die Corona-Krise sollte Anlass sein, alte Gewohnheiten zu verändern. Daraus können sogar dauerhaft (Effizienz-Vorteile) erwachsen.