Hinweisgebersystem ist Pflicht
Ein Whistleblowing-System ist für viele Unternehmen in Deutschland und anderen EU-Ländern inzwischen Pflicht. Seit dem 17. Dezember 2021 müssen größere Unternehmen und Kommunen ein solches anonymes Hinweisgebersystem anbieten. Das ist jedoch kein organisiertes Denunziantentum. Machen Sie in Ihrem Unternehmen klar: Es geht für Ihr Unternehmen darum, es vor Reputationsschäden zu schützen.
Wer ist betroffen?
Betroffen sind Unternehmen ab 50 Mitarbeitern und Kommunen ab 10.000 Einwohnern. Die Einführung eines Hinweisgebersystems ist beileibe nicht trivial. Wir raten zu einem digitalen System, das beiden Seiten geschütztes Agieren erleichtert.
Die meisten Hinweisgeber versuchen zunächst intern, die beobachteten Verstöße – sei es gegen Compliance-Regelungen oder Gesetze – anzusprechen. Sie werden oft nicht nicht gehört. Wenden sie sich dann aber an Behörden oder Öffentlichkeit, wird es für Unternehmen schnell brenzlig. Mindestens ein hoher Reputationsschaden droht, manchmal auch ernsthafte rechtliche und finanzielle Konsequenzen.
Intern Vertrauen schaffen
Machen Sie intern daher deutlich: Alle Arten von Grenzüberschreitungen, von zwischenmenschlichen Verfehlungen bis hin zu dolosen Handlungen, können im System angstfrei gemeldet werden. Der Hinweisgeber wird geschützt und Zuwiderhandlungen werden angemessen sanktioniert.
Die EU-Whistleblower-Richtlinie sieht drei Umsetzungsvarianten vor: ein Kanal, um Zuwiderhandlungen postalisch bzw. per E-Mail zu melden; eine telefonische (kostenlose) Hotline; die Möglichkeit, mit einem Vertreter des Unternehmens zusammenzukommen. Das Grundproblem bei diesen Varianten ist die fehlende Anonymität. Nur durch ein digitales Hinweisgebersystem können Sie den Vorgaben der EU-Richtlinie entsprechen oder seriöses Whistleblowing glaubhaft intern etablieren.
Vorgehen bei der Errichtung eines Whistleblowing-Systems
Der Pforzheimer Experte Michael Hager (Conlab) rät: Definieren Sie Prozesse zur Bearbeitung von Hinweisen, bevor Sie mit der Implementierung des Systems beginnen (Definition: Bearbeitungsschritte, Zugriffsrechte, Eskalationsstufen; Schulung zuständiger Mitarbeiter). Richten Sie eine neutrale Meldestelle ein, die dem Unternehmen vorgelagert ist. Sie müssen Zweifler auch davon überzeugen, dass Meldende keine Nestbeschmutzer sind. Beziehen Sie also alle wichtigen Bereiche ein (Führungsebene, Betriebsrat, Datenschutzbeauftragte, HR, IT etc.). Workshops sollen für das Thema sensibilisieren.
Auch Ausland integrieren
Integrieren Sie auch Tochtergesellschaften (Ausland). Bei einem digitalen Meldesystem sollte das in jeder gängigen Sprache gehen. In Kulturkreisen, in denen viele Zuwiderhandlungen als Kavaliersdelikte gelten, müssen Sie eine „Kultur der Integrität“ etablieren.
Informationskampagne
Platzieren Sie den (einfachen) Zugang zum Whistleblowing-System prominent: Code of Conduct, Intranet, Website, Zulieferer-Plattformen, Aushänge in Kantinen, Pausenräumen, Umkleidemöglichkeiten, Freizeiteinrichtungen etc.
Fazit: Viele Unternehmen und größere Arbeitgeber müssen jetzt ein Hinweisgebersystem anbieten. Das System entfaltet seine Wirkung aber erst, wenn Mitarbeiter oder Lieferanten, die Grenzen zu unethischen oder arglistigen Handlungen überschreiten (wollen), ernsthaft mit Enttarnung rechnen müssen. Das dürfte mit der neuen Pflicht der Fall sein und Unternehmen werden intern mehr mit Vorwürfen und Klärungen zu tun bekommen.
EU-Hinweisgeberrichtlinie 2019/1937
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L1937&from=EN
Infos Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Richtlinie_(EU)_2019/1937_(Hinweisgeberrichtlinie)