Panikmache digital
Die digitale Revolution wird die Arbeitswelt einschneidend verändern. Doch Panikmache ist fehl am Platze - und dient anderen Interessen.
Am 1. Mai warnen die Gewerkschaften vor dem umfassenden Einzug der Digitalisierung und der Robotertechnik in die Arbeitswelt. Unternehmensberatungen und Wissenschaftler schlagen in dieselbe Kerbe: In 20 Jahren sollen 47% aller Berufe durch Roboter ersetzt werden, behauptet etwa eine Studie der Universität Oxford. Steuerberater oder Buchhalter werde es dann nicht mehr geben. Gegenüber dieser Panikmache sind die Fakten ernüchternd. In Deutschland kommen bisher 282 Roboter auf 10.000 Beschäftigte. Und das Wachstum ist mit 4% pro Jahr nicht überwältigend groß. Ginge diese Entwicklung linear weiter, wären es 2035 gerade mal 618 Roboter auf 10.000 Beschäftigte (6%). Deutschland hat neben Japan und Korea die höchste Roboterdichte bei einer gleichzeitig zunehmenden Beschäftigung von Facharbeitern in der Industrie. Dass bald schon Piloten, Wirtschaftsprüfer und Immobilienmakler durch Maschinen ersetzt werden, nennt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) reine „Science Fiction“. Der DGB warnt dennoch vor einem neuen digitalen Proletariat. Tarifvertraglich abgesicherte Belegschaften würden durch ein Heer von auftragsabhängigen Scheinselbständigen ersetzt. Die Zahl der Solo-Selbständigen erhöhte sich jedoch von 2003 bis 2013 um lediglich 338.000 auf 2,15 Millionen. Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen stieg damit in einem Jahrzehnt um lediglich 0,4% auf 5,9%. Seit 2013 stagniert die Zahl. Sichere Vollzeitstellen werden angeblich in flexible und mobile Homeoffice-Jobs umgewandelt. Die Arbeitnehmer würden dabei zur ständigen Erreichbarkeit verpflichtet. Tatsächlich verringerte sich die Zahl der Heimarbeiter in Deutschland seit 2008 um rund 1 Mio. auf 4,5 Mio. Menschen. Der Anteil der Erwerbstätigen mit Homeoffice sank von 14,4% (2004) auf 11,3%.
Fazit: Die Digitalisierung birgt zwar Gefahren für die Arbeitnehmer, etwa durch Totalüberwachung oder größere Arbeitsplatzunsicherheit. Die Panikmache durch Gewerkschaften und Unternehmensberater dient aber vor allem deren Geschäftsinteressen.