Der Wettbewerb zwischen den großen Gewerkschaften wird sich verschärfen und den Lohndruck für die Betriebe erhöhen. Nach dem angekündigten faktischen Verbot der Splittergewerkschaften durch die Große Koalition – der Grundsatz „Ein Betrieb, eine Gewerkschaft“ entzieht ihnen die tarifpolitische Basis – wird die Konkurrenz der Großen untereinander zunehmen. Zunächst geht es um das Mitgliedererbe, danach um die (Neu-)Abgrenzung von Tarifbereichen. So jagte die IG Metall Ver.di in einem Hausvertrag den IT-Dienstleister Atos (8.500 Beschäftigte) ab. Für die gewerkschaftlich schwach organisierte IT-Branche ist der Schlupf von Atos unter die Fittiche der durchsetzungskräftigsten Gewerkschaft ein Signal. Durchschlagskraft will auf diesem Gebiet auch Ver.di demonstrieren. Jüngstes Beispiel ist der Streik bei Amazon und der Streit um die Zuordnung zum Ver.di-geführten Branchentarif Einzelhandel. Traditionell durchsetzungsschwache DGB-Gewerkschaften sehen sich mittelfristig von der Eingliederung in Ver.di bedroht. Dazu gehören die Gewerkschaft der Polizei, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft und die NGG. Für Unternehmer bedeuten größere Arbeitnehmerverbände perspektivisch höhere Lohnsteigerungen in der Breite. Die kleinen Spartengewerkschaften waren dagegen punktuell Kostentreiber. Gleichzeitig werden lang andauernde Arbeitskämpfe unwahrscheinlicher. Sie sind für die Gewerkschaften zu teuer. Die Konzentration auf Lohnanhebungen für den breiten Durchschnitt lässt zudem mehr Spielraum für innerbetriebliche Lohnfindungsmodelle. Basistarif plus betrieblicher Auf- oder Abschlag lautet die Formel der Zukunft.
Fazit: Arbeitgeber müssen den neuen Gegebenheiten in ihrer Verbandsarbeit Rechnung tragen. Dem Nachteil größerer Gegenmacht steht der Vorteil höherer Planungssicherheit gegenüber.