Arbeitgeber können sich die Sozialversicherung nicht aussuchen
Firmen dürfen Sozialstandards im eigenen Land nicht unterlaufen, indem sie Beschäftigte formell über ein Unternehmen in einem EU-Land mit niedrigeren Abgaben einstellen. Konkret ging es vor dem EuGH um den Beitrag zur Sozialversicherung, den ein Transportunternehmen nicht zu Hause in den Niederlanden sondern in Zypern zahlen wollte. Die niedrigen Abgaben im zypriotischen Modell waren attraktiver (minus 25%), als die deutlich höheren Beträge im Heimatland.
Vertrag in Zypern, Entlohnung aus den Niederlanden
Die niederländische Firma nutzte eine Transportfirma im östlichen Mittelmeer zum Abschluss von Arbeitsverträgen. Die Lohnabrechnung wurde auch dort erledigt. Sein Geld erhielt der Fahrer allerdings aus den Niederlanden.
Für den EuGH, der jetzt zu klären hatte, welche der beiden Firmen der maßgebliche Arbeitgeber ist, sind drei Punkte entscheidend: Wer ist gegenüber den Lkw-Fahrer tatsächlich weisungsbefugt? Wer trägt real die Lohnkosten? Und wer ist befugt, den Fahrer zu entlassen?
Arbeitsvertrag ist nur eine formale Angelegenheit
Alle drei Punkte ließen sich im Streitfall beim niederländischen Unternehmen festmachen. Deshalb sind die in diesem Land üblichen Sozialbgaben zu zahlen. Unwesentlich ist nach Meinung der Luxemburger Richter, ob ein anderes Unternehmen, mit dem Lkw-Fahrer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, im Vertragsdokument als Arbeitgeber angegeben ist. Egal ist auch, in welchem europäischen Land die Fahrer überwiegend tätig sind.
Fazit: Europaweit tätige LKW-Fahrer sind am Sitz des Arbeitgebers in der Sozialversicherung anzumelden, der weisungsbefugt ist. Das Modell Ausflaggen, wie in der Seeschifffahrt, funktioniert in anderen Branchen in der EU nicht.
Urteil: EuGH vom 16.7.2020, Az.: C‑610/18 AFMB