Beweislastumkehr abgeschmettert
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den Versuch abgeschmettert, die Beweislast bei Überstunden umzukehren. Das Arbeitsgericht Emden hatte in mehreren Fällen gegen Arbeitgeber entschieden. Das Gericht hatte argumentiert, dass Arbeitgeber beweisen müssten, dass sie Überstunden angeordnet haben und diese geleistet wurden. Darum sollte der Arbeitgeber Forderungen in Höhe von 5.000 Euro für geleistete, aber nicht bezahlte Überstunden eines Auslieferungsfahrers pauschal anerkennen.
Auslöser für die Diskussion um die Beweislast war das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das hat Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeit verpflichtet ("Stechuhr-Urteil"). Der Betrieb im Streitfall hatte aber kein differenziertes Zeiterfassungs-System. Der Arbeitnehmer kann deswegen aber nicht pauschal behaupten, angeordnete Überstunden geleistet zu haben. Er muss das auch weiterhin beweisen, so die Richter am BAG.
Fazit: Nur die Beschäftigten tragen die Beweislast, dass Überstunden angeordnet und auch geleistet wurden. Eine fehlende Zeiterfassung im Unternehmen ändert das nicht. Die Pflicht zur Zeiterfassung durch den Arbeitgeber besteht aber weiter.
Urteil: BAG vom 4.5.2022, Az.: 5 AZR 359/21, EuGH vom 14..5.2019, Az.: C-55/18
Hinweis: Wer Streit um Überstunden vermeiden will, dokumentiert die Anordnung (Dauer, Umfang, Arbeitsinhalt) grundsätzlich exakt. Denn das Potenzial für Rechtsstreitigkeiten ist groß. Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen, dass in Deutschland im Jahr 2021 rund 893 Millionen unbezahlte Überstunden geleistet wurden.