Elektronische Arbeitszeiterfassung: Initiativrecht dem Betriebsrat zugestanden
Dem Betriebsrat steht für die Anschaffung einer elektronischen Zeiterfassung sehr wohl ein Initiativrecht zu. Das entschied das LAG Hamm. Es verweist dabei auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Hintergrund: Der deutsche Gesetzgeber ist säumig. Er hat die Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, bislang nicht umgesetzt. Damit soll die von jedem Arbeitnehmer täglich geleistete Arbeitszeit gemessen werden. Deshalb ergreifen zunehmend Betriebsräte die Initiative. Zusätzlich zum Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH argumentierten die Interessenvertreter, dass die genaue Erfassung von Arbeitszeit und Überstunden wichtig sei, um "mehr Kontrolle" zu erlangen.
LAG verändert 32 Jahre alte höchstrichterliche Rechtsprechung
Bislang konnten Arbeitgeber diese Forderungen mit einer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zurückweisen. Danach besteht bei Einführung einer technischen Einrichtung kein Initiativrecht. Diese Rechtsauffassung gilt als "in die Jahre gekommen".
Das LAG folgte dieser Argumentation jetzt überraschend nicht mehr. Es spricht sich für die Weiterentwicklung der 32 Jahre alten Rechtsprechung aus. Das zentrale Argument der Richter in Hamm erstaunt: Bereits der Gesetzgeber hätte eine Aufteilung der Mitbestimmungsrechte in solche mit und ohne Initiativrecht bei technischen Veränderungen abgelehnt. Dies habe das BAG bei seiner Entscheidung übersehen.
Fazit: Der Betriebsrat hat ein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung.
Urteile: LAG Hamm vom 27.7.2021, Az.: 7 TaBV 79/20, BAG vom 28.11.1989, Az.: 1 ABR 97/88