Kommt das digitale Zugangsrecht der Gewerkschaften per Gesetz?
Gewerkschaftsfunktionäre können das Werkstor passieren und sich im Betrieb frei bewegen. Sie haben einen rechtlich verbrieften Zugang zum Betrieb. Das reicht ihnen aber nicht. Sie wollen den digitalen Zugang zu den Beschäftigten.
Die Gewerkschafter drängen darauf, das digitale Equipment der Betriebe zu nutzen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will das per Gesetz ermöglich. Er beruft sich dabei auf den Koalitionsvertrag. Obwohl dazu noch eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt aussteht, drängt Heil auf eine schnelle Umsetzung.
Mailadressen der Beschäftigten zur Mitgliederwerbung nutzen
Konkret geht es darum, dass der Betrieb die E-Mail-Adressen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer an die Gewerkschaften zur Mitgliederwerbung und Information herausgeben muss. Dazu will Heil vor allem das Tarifvertragsgesetz ändern. Außerdem fordert die neue Regelung Arbeitgeber und Gewerkschaften dazu auf, weitere Details des Zugangs miteinander zu vereinbaren.
BDA sieht Sozialpartner am Zug
Die Sozialpartner in der Chemieindustrie preschten schon vor zwei Jahren mit einer Vereinbarung zum digitalen Zugangsrecht für die zuständige Gewerkschaft vor. Sie schlugen damit einen Pflock in die Debatte ein, an dem weder die Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaften noch der Gesetzgeber vorbeikommen. Selbst die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) musste auf eine moderate Linie einschwenken.
Die Arbeitgeber-Funktionäre im Berliner Dachverband schreiben in einem internen Positionspapier, das FUCHSBRIEFE vorliegt, dass sie das geplante digitale Zugangsrecht zwar „nicht für sinnvoll“ halten. Trotzdem sollte es den „Sozialpartnern überlassen bleiben, gemeinsam nach passenden Lösungen zu suchen“. Und in der Tat gibt es seit 2022 eine „passende“ Sozialpartnervereinbarung in der Chemischen- und in der Kautschukindustrie. Nach der Absprache kann die Gewerkschaft dort auf bereits eingerichtete und genutzte digitale Kommunikationswege zurückgreifen. Mögliche Zugangswege sind beispielsweise ein digitales Schwarzes Brett im Intranet oder Links zu gewerkschaftlichen Informationen in betrieblichen Informationssystemen (Intranet). Ebenso kann die Gewerkschaft bestehende Videokonferenzsysteme, etwa für Onlinesprechstunden oder digitale Sitzungen von Vertrauensleuten, nutzen.
Arbeitsrechtler sieht Datenschutz-Probleme
Unbeeindruckt von dieser ‚soften Linie‘ zeigen sich Kritiker im Arbeitgeberlager. Eine gewichtige Stimme kommt aus Wuppertal, von Prof. Wolfgang Kleinebrink, dem Geschäftsführer der Vereinigung Bergischer Unternehmerverbände. Der Arbeitsrechtler macht erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken geltend: "Die Werbung von Nichtmitgliedern durch Gewerkschaften mithilfe von E-Mails an die betrieblichen E-Mail-Adressen ist nicht rechtmäßig. Es fehlt an einer datenschutzrechtlichen Erlaubnisnorm.“
Ebenfalls keine Lösung ist für Kleinebrink die Herausgabe eines firmeneigenen E-Mail-Verteilers an die Gewerkschaft. "Hierbei handelt es sich um personenbezogene Daten, da die im Hintergrund befindlichen E-Mail-Adressen der einzelnen Arbeitnehmer ermittelt werden können." Arbeitgeber seien auch nicht verpflichtet, die Einwilligungen ihrer Arbeitnehmer zum Datenverkehr mit der Gewerkschaft einzuholen. Kleinebrink, der auch als ehrenamtlicher Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt tätig ist, findet es höchst problematisch, wenn die Gewerkschaften Werbung, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, über das Intranet des Arbeitgebers machen dürfen.
BAG muss noch entscheiden
Der regionale Verbandsvertreter sieht sich durch ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg bestätigt. Das hat klargestellt, dass es kein digitales Zutrittsrecht gibt (Urteil: LAG Nürnberg vom 26.9.2023, Az.: 7 Sa 344/22). Die Revision ist aktuell beim Bundesarbeitsgericht anhängig (Az.: 1 AZR 33/24).
Fazit: Obwohl der Datenschutz mit zahllosen (EU-)Regelungen auf die Spitze getrieben worden ist, will sich der Arbeitsminister in diesem Punkt darüber hinwegsetzen. Justizminister Marco Buschmann (FDP) kann hier noch ein Veto einlegen.
Empfehlung: Arbeitgeber sollten sich gegen die Nutzung persönlicher Daten im Betrieb durch die Gewerkschaften wehren und nicht in vorauseilendem Gehorsam einlenken. Die Ruhe an der Gewerkschaftsfront wird möglicherweise durch Ärger mit einzelnen (wichtigen) Beschäftigten eingetauscht.