China nimmt ausländische Unternehmen in Sippenhaft
China kopiert vom großen Rivalen USA: Was die Amerikaner u.a. bei der Ostsee-Pipeline durchziehen, nämlich durchführende Firmen für politische Entscheidungen in Sippenhaft zu nehmen, das setzt China nun auch um. Das „Anti-Foreign Sanctions Law" (Anti-Sanktionsgesetz) ist am 10. Juni ohne Vorankündigung bzw. Übergangsfrist direkt in Kraft getreten. Das bedeutet: Viele deutsche Unternehmen (auch aus EU und USA) werden über kurz oder lang in Haftung genommen, wenn politische Akteure aus dem eigenen Land in chinesische „Fettnäpfchen“ treten. Das kann gefährlich werden. Absichern kann man sich gegen Willkür nicht. Aber man sollte einen Plan haben.
Hintergrund
Das Gesetz soll Sanktionen ausländischer Regierungen vergelten. Danach können ausländische Personen bzw. Organisationen bestraft werden, die direkt oder indirekt an der Ausarbeitung, Entscheidungsfindung oder Umsetzung ausländischer "diskriminierender Restriktionen" gegen chinesische Bürger und Organisationen beteiligt sind. Artikel 3 erlaubt das etwa schon, wenn sich ein ausländischer Staat, unter Verletzung internationaler Gesetze und grundlegender Normen, die die internationalen Beziehungen regeln, sich in Chinas innere Angelegenheiten einmischt. Und es gibt eine Reihe anderer "Gründe". Die Frage ist auch, wie man dort "Diskriminierung" auslegt. Vieles ist im Gesetz bewusst vage gehalten.
Nach Artikel 4 können Einzelpersonen und Organisationen, die direkt oder indirekt an der Formulierung, Entscheidung oder Umsetzung von diskriminierenden restriktiven Maßnahmen beteiligt waren, in die Sanktionsliste aufgenommen und mit Gegenmaßnahmen belegt werden. Hammer: Das Ganze darf dann sogar auf Ehepartner bzw. unmittelbare Familienangehörige von gelisteten Personen ausgeweitet werden. Auch für leitende Angestellte oder Kontrolleure von Organisationen kann es eng werden.
Was droht?
Artikel 6 nennt – je nach Sachlage – "Gegenmaßnahmen". Etwa Verweigerung von Visa und Einreise, Visumsabmeldung, Abschiebung, Beschlagnahmung, Pfändung, Einfrieren von beweglichem und unbeweglichem Eigentum, Verbot/Einschränkung von relevanten Transaktionen, Kooperationen oder anderen Aktivitäten mit Organisationen oder Einzelpersonen innerhalb Chinas.
Nach Artikel 11 muss jede Organisation oder Einzelperson, die sich in China befindet, die Gegenmaßnahmen umsetzen. Andernfalls wird sie rechtlich haftbar gemacht; oder man verbietet das Ausüben entsprechender Tätigkeiten. Auch ausländische Einzelpersonen bzw. Organisationen ohne Präsenz in China können zivilrechtlichen Ansprüchen in China ausgesetzt sein. Heftig auch: Den Staatsbonzen (Verwaltungsbeamten) wird ein "Spielraum" zugestanden. Im Klartext: Diese sind ermächtigt, Sanktionen und Maßnahmen nach eigenem Ermessen zu erlassen!
Einspruch zwecklos
Die Juristen von Roedl & Partner (Peking) sagen uns: Entscheidungen der zuständigen Abteilungen sind endgültig. Die Vollstreckung eines Urteils der VR China im Ausland ist hingegen schwierig. Rat: eigenes Geschäft und Lieferketten bewerten; potenzielle Gefährdung durch kollidierende Sanktionen anderer relevanter Gesetzgebungen beurteilen (Achtung: Konflikt mit dem deutschen Lieferkettengesetz); Compliance-System überprüfen und verbessern (z.B. durch Verzicht auf Geschäfte mit Personen/Organisationen, die in der Liste der Gegenmaßnahmen aufgeführt sind); Aufnahme von Sanktionsklauseln in bestehende/künftige Verträge und Vertragsvorlagen; Notfallplan für rechtliche Risiken und mögliche Verluste).
Fazit: Das neue Gesetz ist hochbrisant und dürfte auch Keile in bisher bewährte deutsch-chinesische Partnerschaften treiben. Zumal unser Lieferkettengesetz in Teilen mit der Gesetzgebung in China kollidieren wird. Besprechen Sie Ihre (Auslands-)Geschäfte unbedingt mit Rechtsexperten (in Deutschland und China). Es ist zudem ein Vorgeschmack darauf, wie insbesondere europäische Unternehmen zwischen die Mühlsteine widerstreitender chinesischer und US-amerikanischer Interessen geraten werden.