Corona macht Deutschland Kunst-ärmer
Die Verlängerung des Lockdown gibt uns Zeit, inne zu halten - Zeit die wir nutzen, um uns etwas grundlegendere Gedanken zum Kunstmarkt zu machen. Anlass sind die Verdienste der Künstler, die wir jüngst recherchiert haben. Laut Künstlersozialkasse lagen zum 1.1.2020 die durchschnittlichen Monatseinkommen Bildender Künstler bei 1.787 Euro brutto, Künstlerinnen kamen nur auf 1.281 Euro. Wie viel der Einkommensbestandteile dabei sogar aus steuerpflichtigen öffentlichen Zuschüssen, Aufträgen oder Stipendien resultierte, ist nicht quantifizierbar. Er wird, unseren Erfahrungen nach, aber nicht ganz klein sein.
Corona hat natürlich auch den Kunstmarkt infiziert. Im Grunde liegen viele Künstler wirtschaftlich betrachtet bereits auf der Intensivstation - etliche werden es nicht schaffen. Die Schließung der Galerien in der Vorweihnachtszeit und die Kaufzurückhaltung im Jahre 2020 werden noch viele Kunstschaffende zur Aufgabe ihrer Profession zwingen.
Existenzbedrohende Einkommensverluste
Die aufgelaufenen Einkommensverluste sind nicht aufholbar. Immer wieder berichten Medien über die spendable Geste der Politik künstlerischen Soloselbstständigen zu helfen. Leider sind die Förderprogramme unübersichtlich und kompliziert. Und dort, wo Hilfen fließen, erreichen diese eventuell die Falschen. Allein die Beantragung gewisser Hilfen ist nur über Steuerberater möglich und kostet dort z. T. ca. 1.000 Euro Gebühren. Dieses Geld hat so mancher Künstler nicht, oder er spart es sich, wenn die Hilfen nicht deutlich höher sind.
Der Markt wird sich 2021 darum grundsätzlich wandeln. Es wird zu einer scharfen Bereinigung (oder noch schärferen Selbstausbeutung der Künstler) kommen. Allerdings wollen wir auch nicht verkennen, dass die Zahl der Künstler in den vergangenen Jahren gewaltig gewachsen ist. Im Zeitraum von 1991 bis 2019 erhöhte sich z. B. in der Gruppe der Bildenden Künstler der Künstlersozialkasse die Mitgliederzahl von 18.732 auf 65.964 Personen. Daneben gibt es noch unzählige bei anderen Sozialversicherungsträgern geführte Kunst-Produzenten.
Konkurrenz aus der Industrie
Die industrielle Konkurrenz nimmt aber weiter zu. Jeder Baumarkt, große Möbelhäuser und auch Tageszeitungen fluten den Markt mit serieller massentauglicher Ware. Vom wertigen Nachdruck von Werken namhafter Künstler bis zum posthumen Abguss bekannter Skulpturen reicht die Palette. Fast jeder halbwegs ausstaffierte Kopiershop bietet heute Leinwanddruck bzw. Öldruck an. Damit verschärft sich die Konkurrenzsituation für Kunstschaffende und Kunstvermittler immer stärker.
Ein befreundeter Galerist berichtete mir von Galeriebesuchern, die eifrig ausgestellte Ölgemälde eines jungen Künstlers fotografierten. Auf Nachfrage erklärten diese Besucher, dass man nicht kaufen wolle, sich aber einen Leinwanddruck vom Foto machen lassen. Vom Verstoß gegen das Urheberrecht abgesehen, ist dies ein Beleg von der heute zunehmenden Missachtung schöpferischer Leistungen.
Galerien kommen durch Kopierer unter Druck
Auch Galerien spüren den Konkurrenzdruck. Denn sie ermöglichen der allgemeinen Öffentlichkeit, sich über Entwicklungen in der Kunst zu informieren. Der Galerist finanziert Raum, Technik und die Kommunikation damit Betrachter und Macher in Dialog treten können. Für diese Mittlerfunktion muss der Galerist ein angemessenes Salär erhalten. Die Diskussionsbreite, welcher Preis dann für ein Kunstwerk angemessen ist, ist bekanntlich weit. Darum ist es marktschädigend, wenn potenzielle Kunstfreunde bereit sind, für einen industriellen Massenkunstdruck im Handel einige hundert Euro zu bezahlen, aber für eine originale Zeichnung, ein Aquarell oder Ölgemälde von Künstlerhand in gleicher Größenordnung ins Feilschen geraten.
Fazit: Die Corona-Krise ist für Künstler existenziell. Sie wird zu einer scharfen Marktbereinigungen führen. Die Anzahl der Künstler, Galerien und Kunsthandlungen wird sich deutlich und dauerhaft reduzieren. Das wird den Kunstmarkt strukturell schwächen – und damit die Gesellschaft ärmer machen.