Das Ende des EU Traums
Die Corona-Pandemie verschiebt die geopolitischen Gewichte. Wie alle Krisen wirkt auch diese wie ein Trendbeschleuniger. Asien, der Aufsteiger der letzten Jahrzehnte, wird der Gewinner sein. Die USA werden an Stärke verlieren. Europa, der notorische Absteiger, steht vor einer weiteren Zerreißprobe
Asien zeigt Überlegenheit
Taiwan, Singapur, Südkorea und Vietnam, aber auch Japan haben gleich zu Beginn der Epidemie sehr erfolgreich agiert. Das trifft auch auf China zu, bei aller Skepsis gegenüber offiziellen Zahlen. China wird nach einer Rekonvaleszenzphase erstarken und präsentiert sich bereits weltweit als Vorbild und Wohltäter.
Der asiatische Erfolg ist kein Ausrutscher. Er beruht auf der Fähigkeit, langfristig zu planen und zu handeln. Asien wird zwar durch die Grenzsperren einen Wachstumseinbruch erleben, allen voran China. Aber es gibt in diesen Ländern keinen landesinternen Shutdown. Sie stoßen sich nicht selbst in eine Megarezession.
USA schwächelt
Im Vergleich dazu sehen die USA alt aus. Das Land wird durch eine Hochrisikogruppe geführt: Präsident Donald Trump 73, Nancy Pelosi, Präsidentin des Repräsentantenhauses 79, Senatsvorsitzender Mitch McConnell 78, der demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden (77). Der Kompetenzhickhack zwischen Präsident, Bundesstaaten und Behörden schwächt den Anspruch der USA auf eine globale Führungsrolle.
Das teuerste Gesundheitssystem der Welt hat keine Testkits, kaum Atemmasken, keine Versorgung für die Nicht-Versicherten. Die Einteilung der 3.000 Landkreise (Counties) in drei Risikogruppen, anhand derer die Schärfe der Maßnahmen bestimmt wird, ist dilettantisch. Denn die Datenbasis gibt das nicht her. Und die inneramerikanischen Grenzen bleiben offen. Trump rechnet neuerdings mit einer langen Krise und 200.000 Toten. Am Ende wird sich das Land aber schütteln und weitermachen.
EU vor der Zerreißprobe
Die EU steht am Abgrund. Die Kommission tat die Corona Epidemie lange als innerasiatisches Phänomen ab und verschlief die Chance, ein EU Krisen-Monitoring und ein praktikables innereuropäisches Grenzregime aufzubauen. Ohne Vorwarnung wurden am 17. März alle Außengrenzen für 30 Tage geschlossen. Unfähig zur Koordination versagt Europa bei der gegenseitigen medizinischen Hilfe, bei der Gesundheitskontrolle der Einwanderer und beim Einsatz digitalisierter Daten. Überall nationale Alleingänge, zugesperrte Grenzen, blockierte Hilfslieferungen. Der einheitliche Binnenmarkt, die größte Errungenschaft der europäischen Integration, existiert nicht mehr.
Schwere Hypothek
Die über Nacht mögliche Suspendierung der Bürgerrechte und die Etablierung eines Überwachungsstaats läßt die Strahlkraft Westeuropas weiter verlöschen. Osteuropa (Ungarn, Tschechien, Polen) geht nun endgültig andere Wege. Einzig die Europäische Zentralbank vermag mit dem Pandemie-Notfall-Kaufprogramm (PEPP) in Höhe von 750 Mrd. Euro die Finanzmärkte vorübergehend zu beruhigen. Allein Italien wird seine Verschuldung von 135 auf 155 % des BIP erhöhen. Überall schnellt die Arbeitslosigkeit in die Höhe, bricht das Wachstum mit jedem Tag der Kontaktsperren weiter ein. Eine Bankenkrise steht vor der Tür, ebenso eine Insolvenzwelle. Der Ruf nach Corona-Bonds wird verhallen, jedes Land wird sein rapide schrumpfendes Pulver trocken halten.
Man muss kein großer Prophet sein, um der EU eine harte Zeit vorherzusagen, in der jedes Land sich erst mal selbst der nächste ist. Der Euro kommt in schweres Wasser und es ist unsicher, ob die Zentralbank allein ihn retten kann.
Fazit: Mit jedem Tag, an dem der Total-Stillstand fast der gesamten Ökonomie andauert, rutscht Europa weiter ab. Eine EU, die wieder in ihre Einzelteile zerfällt, ist um einiges wahrscheinlicher geworden.