Das Ende des Green Deal
Die Gas-Politik der Bundesregierung wird noch erhebliche Folgen für die Nachhaltigkeitsstrategie der EU insgesamt haben. Der Wille zum Verzicht auf das Russen-Gas (vollständig bis 2027) hat einen Preis: Der beschlossene Kurs beim Klimaschutz ist nicht mehr durchhaltbar. Es geht dabei nicht nur um kurzfristige Übergangsregelungen, wie das Wiederanlaufen von Kohle- und mit großer Sicherheit auch Atomkraftwerken. Es geht auch um die langfristigen Ziele.
Denn klar ist: Wenn Deutschland und andere EU-Länder die Gas-Lieferungen aus Russland durch Flüssiggas (LNG) ersetzen wollen, sind gewaltige Investitionen notwendig. Und zwar sowohl in den Empfänger-, wie in den Lieferländern (LNG-Terminals). Dort wird bereits gerechnet – lohnt sich das überhaupt? Denn entsprechende Investitionen rechnen sich nur über Jahrzehnte. Nicht aber über eine Kurzstrecke.
Europas Strategie passt nicht zu Investitionsüberlegungen bei LNG
Doch Europa will so schnell wie möglich aus der Nutzung fossiler Energie aussteigen. Europa soll bis 2050 der erste Kontinent werden, der nur noch unvermeidbare Treibhausgase ausstößt und diese wenigen Emissionen vollständig ausgleicht. Bis zum Jahr 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 sinken. Das passt vorne und hinten nicht zusammen.
Das heißt: Die EU-Strategie ist schon jetzt nur noch Makulatur. Robert Habeck wird sehr langfristige Kontrakte mit den LNG-Lieferanten abschließen müssen, wenn diese asap und in der gebotenen Menge liefern sollen. Und das müssen sie, sonst ist der Industriestandort Deutschland schnell am Ende. Die Abnabelung von Russland wird uns viele Jahre stark beschäftigen. Die Frage von Mengen und Preisen bei der Ersatzbeschaffung bleibt auf längere Sicht akut.
Das Flüssiggas reicht nicht als Ersatz
Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, mit dem sich die Investoren beschäftigen (müssen). Führt die Aussetzung der Lieferungen von Russen-Gas tatsächlich zu einer geringeren Fördermenge? Oder nimmt das Gas künftig nur andere Wege? Soll heißen: Russland liefert dann vorwiegend nach Asien, die Asiaten können deshalb auf LNG verzichten und das geht dann ersatzweise nach Europa. Im Moment sind die Preise auch so hoch, weil Asien und Europa um die Lieferungen konkurrieren. Doch bleibt das so? Auch das ist ein Aspekt, den Investoren berücksichtigen.
Ein Ersatz der russischen Gaslieferungen nach Europa durch Flüssiggas ist ohnehin nicht leistbar. Die Gesamtmenge Gas, die die Europäer von Gazprom beziehen, beträgt etwa 160 Mrd. Kubikmeter pro Jahr. Der weltweite LNG-Markt hat laut World LNG Report der International Gas Union (IGU) ein Volumen von 372,3 MT (million tonnes umgerechnet ca. 184 Mrd. m3). So oder so stehen also (schmerzhafte) Kürzungen beim Gasbezug an.
Alles aufbieten, was wir selber haben
Nicht zu vergessen: Ausreichend Ersatz aus anderen Ländern gibt’s auch nur, wenn wir zeigen, dass wir alle eigenen Möglichkeiten nutzen. Das heißt: Holland wird das Feld in Groningen – mit 2.800 Mrd. m3 das größte Gasfeld Europas – nur dann nach 2022 offenhalten, wenn Deutschland die noch am Netz befindlichen AKW weiternutzt und ggf. auch eigene Erdgasvorkommen anbohrt. Denn die niederländische Regierung muss mit ähnlichen Widerständen bei der Gasbohrung umgehen wie Deutschland bei der Atomkraft und beim Fracking.