Der Norden gewinnt, der Süden lässt nach
Der Norden Deutschlands wird in den nächsten Jahren erhebliche wirtschaftliche Impulse bekommen, der Süden (Bayern, Baden-Württemberg) wird sich relativ schlechter entwickeln. Diese neue Gewichtung hat sich bereits in der Corona-Krise gezeigt. Allerdings wird sie keine Eintagsfliege sein.
Die Verschiebung in der Dynamik hat fundamentale Ursachen, die über Jahre tragen werden. Einen Beleg dafür liefert aktuell das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Eine aktuelle Auswertung kommt zu dem Schluss, dass der Norden inzwischen den Strukturwandel weg von der bislang dominierenden Werftindustrie bewältigt hat. Um die Entwicklung der Regionen zu beurteilen nutzt das IW neben der Entwicklung der Kaufkraft und der Arbeitslosigkeit 53 weitere Indikatoren.
Sonderkonjunktur Energiewende
Die wirtschaftliche Dynamik ist in den Landkreisen von der dänischen Grenze bis bis zu den an Niedersachsen angrenzenden Landkreisen in NRW besonders hoch. Angetrieben wird die Wachstumsdynamik von der Energiewende. So wird im Norden besonders kräftig in Erneuerbare Energien (voran Windkraft) investiert. Das zeigt auch die geplante Batteriefabrik von Northvolt in Heide (Schleswig-Holstein).
Ein weiterer perspektivischer Vorteil: Die Versorgungssicherheit mit Windstrom wird aufgrund der räumlichen Nähe zu den Erzeugungsanlagen im Norden hoch sein. Hinzu kommt, dass der grüne Strom in den nächsten Jahren deutlich preiswerter werden dürfte. Schon heute lässt sich der Vorteil über Direktabnahmeverträge (PPA) nutzen. Darum wird die Region zunehmend für energieintensive Industrien interessant. Ähnliches gilt für das Ruhrgebiet, in dem die traditionelle Stahlindustrie nur noch eine geringe Rolle spielt. Aufgrund der Universitäten sind dort qualifizierte Mitarbeiter recht gut verfügbar.
Wirtschaftlich starker Süden durch zwei Entwicklungen bedroht
Die Landkreise in Baden-Württemberg und Bayern - Dauersieger der Regionalrankings der Vorjahre - sind dagegen mit zwei Problemen konfrontiert. Sie sind noch stark von der Autoindustrie abhängig, die in einem großen Strukturwandel mit ungewissem Ausgang steckt. Gestern (Mittwoch) hat das EU-Parlament das Verbrenner-Aus und eine scharfe Fokussierung auf reine E-Mobilität ab dem Jahr 2035 beschlossen. Das wird die Branche, einer der Hauptarbeitgeber in Deutschland mit einer Vielzahl von Zulieferbetrieben, massiv unter Druck setzen.
Im Gegensatz zum hohen Norden ist die Energieversorgung im Süden kritisch. In beiden Südländern droht Energiemangel. Das absehbare Defizit ist so groß, dass es durch einen regionalen Ausbau von Wind- und Solarenergie nicht ausgeglichen werden dürfte. Das Problem wird in den kommenden Jahren mit der Abschaltung der Kohlekraftwerke sichtbar werden.