Es knirscht im russischen Gebälk
Russlands Führung macht die gleichen Fehler immer wieder. Die Sicherhung der eigenen Macht wächst dem Regime wirtschaftlich über den Kopf. Die jüngsten Wirren in dem (weitgehend mit der GUS identischen) russischen Einflussbereich zeigen das deutlich. Sie brachen zwar an entgegengesetzten Ecken des "Reiches" aus. Aber aus vergleichbaren Anlässen und letztlich sogar identischen Gründen. Im kirgisischen Bischkek wie im belarusischen Minsk gingen die Menschen nach Wahlen auf die Straße, die sie als Farce und Verhöhnung ihrer Bürgerrechte ansehen. Denn diese Veranstaltungen sollen nur den mehr oder weniger eng an Moskau angelehnten Regimen einen Anschein von Legitimität geben.
Russland und die GUS fallen zurück
Die materiellen Wurzeln ihrer Unzufriedenheit sind auch im jüngsten IWF-Ausblick ablesbar. Die Erholung der russischen Wirtschaft nach dem Corona-bedingten Einbruch soll im kommenden Jahr mit einem Wachstum von 2,8% deutlich flacher ausfallen als bisher erwartet (4,1%). Mit der Folge, dass Russland und damit auch die GUS weiter hinter die westlichen Staaten zurückfallen. Die Unzufriedenheit mit den materiellen Lebensbedingungen, die ein Regime a la Wladimir Putin zu bieten hat, kann deshalb nur weiter anwachsen.
Der politische Rückhalt schwindet
Damit erodiert vor allem in der nicht-russischen Peripherie der Rückhalt für das politische System. Die Ukraine ist Russland durch dessen Versagen bereits als Verbündeter verloren gegangen. Und in Belarus und den anderen GUS-Staaten im Kaukasus und Zentralasien droht das Gleiche: Immer weniger Menschen sind zufrieden mit dem Wohlstandsniveau und dem Lebensstil.
Die Ursachen der Misere sind bekannt. Sie sind vom IWF mehrfach benannt worden. Es fehlt am Schutz der Eigentumsrechte und der Bürgerrechte durch einen funktionierenden Rechtsstaat. Das treibt gerade die wirtschaftlich erfolgreichen Schichten sowohl in Russland als auch den anderen GUS-Staaten außer Landes. Große Teile der in der Heimat erarbeiteten Vermögen bunkern sie im Ausland. Angefangen bei den Zweigstellen der skandinavischen Banken in den baltischen Staaten über die Oligarchen-Stadtteile von "Londongrad" und die steuerlich begünstigten Holdings auf Malta und Zypern bis zu den mit Sonnengarantie versehenen Luxusunterkünften in Dubai.
Die Folgen der Kapitalflucht
Damit gehen Geld und unternehmerisches Engagement verloren. Genau das aber bräuchte Russland für seine Modernisierung. Zugleich sind die Mittel weg, die Moskau benötigt, um die Vasallen in der GUS zu stützen. Alexander Lukaschenko erhielt in Sotschi von Putin nicht mehr als die Refinanzierung der bestehenden belarussischen Schulden (etwa 1,5 Mrd. Dollar). Dem in der Ukraine gescheiterten Viktor Janukowitsch hatte Putin noch das Zehnfache an Kredit zugesagt.
Auch durch den Druck der westlichen Sanktionen schwächt sich der Wachstumstrend Russlands weiter ab. Das Land wird als wirtschaftlicher Motor der GUS überlastet. Die Kosten der Sicherung der russischen Vormachtstellung innerhalb der GUS und der persönlichen Macht Putins innerhalb Russlands sind zu hoch. Daher rechnen wir nicht mit einer signifikanten Erholung der russischen Märkte nach dem Abklingen der Corona-Krisezu .
Fazit: Wir raten zur Vorsicht gegenüber den russischen Werten. Eine Erholung des Rubel ist vor diesem Hintergrund ausgesprochen unwahrscheinlich.