Jetzt beginnt die Zahlen-Schlacht
Die Brexit-Abstimmung rückt näher. Nun wird vor allem die Wirtschaft alle Register ziehen, um Volkes Meinung pro EU zu beeinflussen.
Langsam beginnt der Endkampf um die Meinungsführerschaft zum Brexit. Je näher der Abstimmungstermin (voraussichtlich im September) rückt, desto intensiver wird die Bearbeitung der – sehr verunsicherten – Öffentlichkeit werden. Eine erste Kalkulation der wirtschaftlichen Kosten hat der Kreditversicherer Euler Hermes gemacht. Danach kostet Großbritanniens Austritt aus der EU das Land rund 30 Mrd. Pfund (38,5 Mrd. Euro) Exportvolumen. Das entspricht 8% aller britischen Warenausfuhren. 60% der verlorenen britischen Exporte würden auf Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Irland entfallen. Die Insel muss zudem mit einer erheblichen Kapitalflucht rechnen. Auf bis zu 210 Mrd. GBP beziffert Euler Hermes den Verlust an Investitionen in den ersten vier Jahren nach dem Referendum. Die Umsätze der britischen Unternehmen würden im Falle eines Brexits pro Jahr um rund 1% schrumpfen. London würde auch seine Vormachtstellung bei den führenden europäischen Handelsplätzen einbüßen. Britische Banken könnten nicht mehr von den günstigen Finanzierungsbedingungen der Europäischen Zentralbank (EZB) profitieren. Die Bank of England würde die Zinssätze anheben, um die Inflation zu bekämpfen. Für Unternehmen hätten die höheren Finanzierungskosten direkte Auswirkungen auf ihre Gewinnmargen. Aber auch für die Automobilbranche, die Maschinenbauer, Chemie-, Lebensmittel- und Energieunternehmen wäre der Austritt mit erheblichen Einbußen verbunden, da sie allesamt stark vom europäischen Binnenmarkt abhängen. Weitere Risiken liegen im Aufbau zusätzlicher Handelsbarrieren. Das könnten neue Zölle oder neue Produktstandards bei Verpackung, Etikettierung oder Hygienevorschriften sein. Das wäre fatal für Branchen wie die britische Automobilindustrie. Denn sie ist in ihrer Lieferkette komplett von Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien abhängig. Ausländische Automobilhersteller hätten ohne die europäische Nachfrage im Rücken keinen Anreiz mehr, in Großbritannien zu fertigen.
Fazit: Für die Briten ist das Gewicht der wirtschaftlichen Nachteile eines Brexit ein schlagendes Argument. Daher hat die britische Wirtschaft noch reichlich „Pulver“, um die Meinung auf der Insel zu beeinflussen.