Kampf um Einflusszonen
Freihandelsabkommen avancieren immer mehr zum Kampfmittel im Ringen um internationalen Einfluss.
Die Geopolitik ist zurück und ihr Schlachtfeld sind Freihandelsabkommen. Angeblich geht es beim transatlantischen TTIP um Chlorhühner, Zölle und Investorenschutz. Viel wichtiger ist aber der Kampf um Einflusszonen. „Economic NATO“ nannte die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton TTIP, die wichtigste strategische Initiative seit dem Marshallplan. Den Anstoß gab eine Analyse des State Departments, wonach der Westen gegen die Schwellenländer und insbesondere China mittelfristig nicht wettbewerbsfähig sei. Wenn die USA und Europa heute nicht die Standards und Regeln definieren, dann werde China es morgen tun. China und die anderen BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien) sollen draußen bleiben. Auch beim gleichzeitig von den USA mit zwölf asiatischen Ländern verhandelten TTP-Handelsabkommen ist China ausgeschlossen. Die Welt steuert auf Handelsblöcke zu. Denn die regionalen Abkommen bedeuten zugleich eine Absage an die WTO und damit an eine globale Handelsliberalisierung. China hat längst reagiert. Mit dem FTAAP-Abkommen will es 21 asiatische Länder binden – inklusive Russland. Auch Japan und Australien sollen einem chinesisch dominierten Freihandelsabkommen beitreten können. Russland stemmt sich mit der Eurasischen Union, einer Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan, gegen den Fall in die Bedeutungslosigkeit. Als die Ukraine sich abrupt der EU zuwandte, brach der Ukrainekonflikt los. Machtpolitik läuft heute über Freihandelsabkommen. Für Deutschland ist die Blockbildung schädlich. Eine global erfolgreiche Exportnation hat durch die Fragmentierung des Welthandels viel zu verlieren. Die Kosten tragen vor allem mittelständische Betriebe, aber auch die Entwicklungsländer. Denn Freihandelszonen funktionieren nur über Ursprungszertifikate. Deren Nachweis ist aber oft kostspieliger als Zölle. Eine Wiederbelebung der WTO wäre für einen freien Welthandel am besten. Wahrscheinlich ist das aber nicht. Denn die BRIC-Länder zeigen ebenfalls Selbstbewußtsein: Im Sommer haben sie der Weltbank die New Development Bank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) den Schwellenländer-Währungsfonds CRA entgegen gesetzt. Das ist zwar mehr Symbolik, gibt aber die Richtung vor. Allerdings drängt für TTIP die Zeit. Die EU-Regierungschefs bekräftigten im Dezember, dass das Abkommen Ende 2015 fertig verhandelt sein soll. Denn das EU-Parlament, das den Vertrag absegnen muss, wird immer ablehnender. Auch in den USA schließt sich das Zeitfenster. Wenn der Wahlkampf für die US-Präsidentschaft Anfang 2016 anrollt, geht nichts mehr. Präsident Barack Obama soll deshalb von Kongress und Senat eine Sondervollmacht erhalten. Das würde die Ratifizierung erleichtern.
Fazit: Der Protektionismus kehrt nicht zurück, aber die Entstehung von Handelsblöcken ist nicht in deutschem Interesse. Die EU muss bei TTIP dafür sorgen, nicht zum amerikanischen Juniorpartner zu werden.