Die Märkte jubeln über die Aussagen von Janet Yellen. Die Chefin der US-Notenbank hat klargemacht, dass der Exit der Fed aus der ultralockeren Geldpolitik mehr Zeit als geplant in Anspruch nehmen wird. Weiteren schnellen Zinsanhebungen hat sie somit eine Absage erteilt. Dennoch will die Notenbank die Liquidität straffen und ihre Anleihenkäufe reduzieren.
Der Dow Jones hat einen Freudensprung auf ein neues Allzeithoch hingelegt. Etwas verhaltener war die Reaktion des marktbreiten S&P 500. Dem ist der DAX direkt gefolgt und hat seine Korrekturbewegung kurz vor dem Sturz unter die wichtige Marke von 12.300 Punkten zunächst abgebrochen.
Diese Marktreaktion ist mit ökonomischer Vernunft nicht zu erklären. Es sei denn, die US-Börsen spekulieren bereits auf die Yellen-Nachfolge durch den Ex-Goldman-Sachs-Präsidenten Gary Cohn.
Als mittel- und langfristig orientierte Value-Anleger trauen wir dem Freudenfest an der Börse nicht. Die US-Konjunktur läuft eben nicht so toll, wie von vielen gedacht. Die Fed wird trotzdem weiter die Zinsen erhöhen und die Geldversorgung drosseln. Das alles passiert bei Aktienbewertungen, die im langfristigen Vergleich sehr hoch sind. Insofern sind wir gespannt auf Freitag, wenn die US-Banken die nächsten Quartalsergebnisse melden. Zur Jahresmitte ergeben sich dabei ja oft Überraschungen und Neubewertungen für den Jahresausblick.
Aber auch die Zins- und Währungsseite bremst unseren Optimismus. Denn es findet gerade eine kräftige Gewichtsverschiebung über den Atlantik hinweg statt. In den USA geben die langfristigen Zinsen weiter sanft nach. Das passt gut zum Konjunkturbild der US-Notenbank, wenngleich es nicht ermutigend ist. In Europa steigen die Zinsen dagegen an. Die deutsche Rendite klettert sogar sehr kräftig und notiert inzwischen bei fast 0,60%. Wir erwarten einen Anstieg auf 0,75% bis spätestens zum Jahresende. Entsprechend wird der Bund Future weiter fallen.
Die Verringerung der Zinsdifferenzen zwischen den USA und Europa wird den Euro beflügeln. Ein sprunghaft steigender Euro dürfte aber zu einer Vollbremsung im DAX führen. Denn der Index hängt stark an den Exportwerten – und für die ist eine sich verteuernde Gemeinschaftswährung ein Problem.
Die Märkte befinden sich damit in einer heiklen Phase. Sie werden sich jetzt zwischen Vollgas und Vollbremsung entscheiden. Das Zins- und Konjunkturbild in den USA spricht aus fundamentaler Sicht mittelfristig dafür, dass die Börsen den Rückwärtsgang einlegen. Allein das Momentum treibt die Indizes gerade nach oben. Das ist aber kein ausreichendes Kriterium für uns als Value-Anleger, jetzt in den Markt einzusteigen.
Fazit: Wir halten die freudige Marktreaktion auf die Fed-Aussagen für irrational und übertrieben. Sie passt nicht zum mittelfristigen fundamentalen Bild. Darum halten wir uns mit Kaufen zurück. Für den DAX gibt es erst ein neues Bild mit Perspektive nach oben, wenn der Index über 13.000 Punkten schließt.