Das Dilemma der Fed wird immer größer
Die Fed will die Zinsen erhöhen. Doch dafür hat sie schon zu lange gewartet.
Für die Fed wird die Entscheidung über eine Zinserhöhung immer brisanter. Am nächsten Mittwoch (15.6.) steht sie erneut an. Schwache Arbeitsmarktzahlen und drohender Brexit (23.6.) haben die Erwartungen schon wieder gedämpft. Doch viel gravierender ist: Die Fed bewegt sich mit ihrer Zinspolitik längst hinter der Konjunktur-Kurve (vgl. Grafik). Der Gipfel im Konjunkturzyklus ist deutlich überschritten. Woher da ansteigende Inflationsraten kommen sollen, die die Notenbank vorausschauend bekämpft – gewöhnlich spricht man von einem halben Jahr Vorlauf –, ist nicht ersichtlich. Tatsächlich muss die Fed ihren Pulverturm wieder auffüllen. Sie braucht die zinspolitische Munition für die kommende konjunkturelle Talfahrt. Doch wenn sie jetzt die Zinsen weiter hochzieht – die Erwartungen auf den Märkten lauten noch immer 1% bis Jahresende – dann beschleunigt sie wahrscheinlich nur die Talfahrt. Umgekehrt gilt: Traut sie sich den Schritt auf 0,75% jetzt nicht zu, kann sie erst recht nicht mehr nachlegen. Denn mit den Arbeitsmarktzahlen und Unternehmensgewinnen wird es schon zyklisch bedingt nicht besser. Das 2. Halbjahr steht außerdem im Zeichen des Präsidentschaftswahlkampfes. Da verbietet sich ein Zinsschritt ohnehin – aus „Anstandsgründen“.
Fazit: Die Fed steckt tiefer im Dilemma, als das aus ihren regelmäßigen Statements deutlich wird. Sie läuft der konjunkturellen Entwicklung mit großem Abstand hinterher – und kann sie nicht mehr einholen.