Die Zinsen rutschen nach unten
Die Zinsen und Renditen kommen aktuell von zwei Seiten in Bewegung. Auf der einen Seite rüttelt die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrer Inflations-Definition. Auf der anderen Seite wirbelt das Corona-Virus die Anleihenmärkte massiv durcheinander. Beide Entwicklungen haben Einfluss auf die Finanzierung von Unternehmen.
Kurzfristig sorgt das Corona-Virus für enormen Druck auf die Renditen. Rund um die Welt hat die Flucht von Anlegern und Investoren in Sicherheit die Renditen auf Talfahrt geschickt. In Deutschland sind die Renditen wieder bis in Laufzeiten von 25 Jahren negativ. Die 10-jährige Benchmarkanleihe rentiert aktuell bei -0,44%.
Zinsen stehen akut unter Druck
Zugleich machen sich neue Sorgen um das Wachstum der Weltwirtschaft breit. Sollte das Virus noch längere Zeit wüten – unter Umständen sogar global – dann werden sich das BIP-Wachstum und der Welthandel spürbar verlangsamen. Schon jetzt entfaltet das Corona-Virus erhebliche Bremseffekte in China.
Das bedeutet für die Banken zweierlei: Erstens wachsen die Ausfallrisiken (Insolvenzgefahr) und die Geldhäuser werden noch vorsichtiger bei der Kreditvergabe. Zweitens sinkt die Nachfrage der Unternehmen nach Krediten. Das wiederum verschärft den Konkurrenzkampf der Banken um gute Schuldner. Dieser akut ausgelöste Nachfragerückgang verstetigt einen Trend, der sich bereits im dritten Quartal 2019 deutlich zeigte. Die Kreditvergabe an Unternehmen und Selbstständige hatte damals den ersten größeren Rückschlag seit Langem erlebt. Das Kreditvolumen stieg nur um EUR 7,3 Mrd. (+4,8% ggü. Vj.). Insbesondere in der Industrie und bei den kurzfristigen Krediten gab es einen Rückgang. Demgegenüber stiegen die Einlagen der Unternehmen (Cash als Risikopuffer).
Unternehmenskredite werden billiger
Kurzfristig ist das Finanzierungsumfeld für Unternehmen weiter sehr gut. Es hat sich, insbesondere für Firmen mit hohem Bonitätsranking, sogar noch einmal verbessert. Das zeigt sich auch im Barkow Corporate Credit Index, der auf 1,36% gefallen ist (Vormonat: 1,43%). Im Monatsvergleich ist das der stärkste Rückgang seit 21 Wochen – und die akuten Corona-Sorgen stecken in den Zahlen noch gar nicht drin.
Mittelfristig wird das Finanzierungsumfeld für Unternehmen aufgrund der neuen EZB-Strategie deutlich schwieriger. Das liegt an der zunehmenden Risikoaversion der Geldhäuser. Aber auch die Aufweichung der Inflationsziele innerhalb der EZB wird die Planung von Unternehmensfinanzierungen komplexer machen.
EZB will Inflation laufen lassen
Unter der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist der Startschuss für die Revision der geldpolitischen Strategie gefallen. Die setzt den Rahmen für die Entscheidungen des EZB-Rats. Von ihrer Gestaltung hängt ab, wie viel Spielraum die Währungshüter für ihre Zinspolitik haben. Absehbar ist bereits, dass die Währungshüter künftig eine „aufgeweichte“ Inflationsdefinition anwenden dürften.
Technisch heißt es, die EZB könnte dann „ein symmetrischeres Ziel“ setzen. In der Praxis bedeutet es, dass die Währungshüter nach einer längeren Phase niedriger Inflationsraten auch eine Phase mit einer höheren Teuerung zulassen würden. Ein neues, minimal angepasstes wording dafür gibt es schon. Die EZB strebt dann eine Inflation von „mittelfristig unter aber nahe 2% an.“ Das passt gut zur aktuell schon steigenden Inflationsrate, die in der Eurozone nun bei 1,3% liegt (Deutschland 1,7% im Januar, nach 1,5% im Dezember und 1,1% im November).
Fazit: Die EZB verschafft sich einen neuen Rahmen, der es ihr ermöglicht, die Inflation laufen zu lassen. Für Unternehmen bedeutet das, dass die Geldhüter steigenden Inflationsraten hinterher sehen werden. Zieht die Inflation an, wird auch eine spürbare Aufwärtsdynamik in die Finanzierungszinsen kommen.