Jetzt ist Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) ziemlich unsanft in der Realpolitik der Energiewende angekommen. Denn er kann seine Pläne zur Umsetzung der EEG-Reform nicht ohne eine Einigung mit Brüssel umsetzen. Diese hakt jedoch gewaltig und verzögert sich. Brüssel und Berlin liegen inhaltlich offenbar noch so weit auseinander, dass Gabriel sogar einen Termin ersatzlos gestrichen hat, bei dem er deutschen Unternehmern den Kompromissweg mit Brüssel vorstellen wollte. Gabriel ist bei seinem wichtigsten Vorhaben allerdings auf eine Einigung mit EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia angewiesen. Denn die deutsche EEG-Reform darf nicht gegen die Beihilfe-Richtlinie der EU verstoßen. Diese wird durch Brüssel aber gerade selber grundsätzlich überarbeitet. Die Grundlagen dafür legt Almunia in seinen Verhandlungen mit allen 28 Mitgliedsländern. Das neue EU-Regelwerk soll aber erst im November 2014 verabschiedet werden, wenn sich die neue Europäische Kommission nach den Europa-Wahlen zusammengefunden hat. Während Almunia Zeit hat, drängt diese für Gabriel. Weil der EU-Kommissar den deutschen Superminister kalt abblitzen ließ, ist nun die Umsetzung der EEG-Reform in deutsches Recht akut gefährdet. Nur noch bis zum 8. April hat Gabriel Zeit, sich mit Brüssel politisch zu einigen. Befasst sich das deutsche Kabinett nicht im kommenden Monat mit der EEG-Reform, wird diese kaum bis August in Kraft treten. Dann können Unternehmen ihre Antragstellung und Bewilligung der Befreiungen durch die zuständige Behörde (BAFA) für das Jahr 2015 nicht rechtzeitig abwickeln. Noch gibt sich Gabriel zuversichtlich, dass er noch rechtzeitig eine Einigung mit Almunia erreichen wird. Die Töne aus dem Wirtschaftsministerium (BMWi) klingen uns gegenüber aber schon fast wie Durchhalteparolen. Bemerkenswert ist für uns, dass es weder im BMWi noch in größeren Verbänden einen Plan B für den Fall gibt, dass es nicht zu einer Einigung zwischen Berlin und Brüssel kommt. An dieses Szenario wolle man gar nicht denken, heißt es. Kommt es bis 8. April nicht zu einer Einigung, bedeutet das für Unternehmen in Deutschland eine massive Planungsunsicherheit bis Ende 2015. Sie können dann ihre Energiekosten nicht solide kalkulieren. So müssen Unternehmen immer das Risiko bedenken, dass ihnen die Vergünstigungen reduziert oder komplett gestrichen werden. Viele betroffene Firmen stellen deswegen Investitionen zurück. Auch ein Alleingang Gabriels ist kaum denkbar. Denn dann hätte die EEG-Reform sofort eine Verfallszeit von einem Jahr – bis Brüssel die neue Beihilfe-Richtlinie verabschiedet.
Fazit: Superminister Sigmar Gabriel dürfte seinen ersten Unfall bei der Energiewende erleben. Eine Einigung mit Almunia, die Rücksicht auf die Vielzahl deutscher Unternehmensinteressen nimmt, halten wir für äußerst unwahrscheinlich. Gabriels Dilemma: Kommt es wider Erwarten zu einer Einigung, dürften die Einschnitte für die Unternehmen stark sein. Alternative: Die EEG-Reform verzögert sich deutlich.