Seit Ausbruch des Ukraine-Konfliktes stehen die Energiemärkte unter besonderer Beobachtung. Ein steiler Anstieg der Energiepreise, vor allem für Rohöl, gilt als zentrales wirtschaftliches Risiko der politischen und militärischen Auseinandersetzung. Tatsächlich ist der Preis aber von Spitzen um 115 Dollar/Barrel im Sommer auf aktuelle Werte zwischen 85 und 90 Dollar/Barrel gefallen. Damit kommt Russland selbst vom Öl her unter Druck: Der aktuelle Etat beruht auf Ölpreisen um 105 Dollar. Die russische Regierung sah sich daher schon gezwungen, auf Reservefonds zurückzugreifen, in denen überschüssige Öleinnahmen gebunkert werden.
Hinter dem Preisrutsch sind eine Reihe unterschiedlicher Ursachen zu erkennen. In den USA ist die Produktion durch das Fracking deutlich gestiegen. Dazu kommen zusätzliche Mengen aus Libyen (Produktion erholt sich Dank politischer Stabilisierung).
Das wesentlich heiklere Thema „Erdgas“ wurde bisher sowohl von westlicher wie von russischer Seite ausgespart. Hier wäre ein Ersatz russischer Lieferungen wesentlich schwieriger. Denn die bestehenden Pipelines sind auf die russischen Gasfelder ausgerichtet und für andere Lieferanten kaum zugänglich. Umgekehrt dürfte Russlands ohnehin bereits in Stagnation gefallene Wirtschaft einen Ausfall dieser Einnahmen kaum mehr verkraften, ohne umgehend in eine ernsthafte Krise zu geraten. Daher wohl das stillschweigende gegenseitige Einverständnis, an diesem Markt nicht zu rühren.
Zudem lockert sich die westliche Abhängigkeit vom russischen Gas durch den bereits begonnenen Aufbau von Terminals. Mit ihrer Hilfe kann auf dem Seeweg geliefertes Flüssiggas ins europäische Netz eingespeist werden. So sollen schon im nächsten Jahr Terminals im polnischen Swinoujscie (Swinemünde) und Riga (Lettland) den Betrieb aufnehmen. Sie sollen die in den östlichen EU-Staaten besonders starke Abhängigkeit von Russland begrenzen. Damit wird Russlands Position noch schwächer.
Fazit: Offenbar hat der russische Präsident Putin sein Drohpotenzial gegenüber dem Westen überschätzt. Das macht die vom Ukraine-Konflikt ausgehenden Risiken überschaubarer. Der westlichen Abhängigkeit von Russlands Gas entspricht die russische Abhängigkeit von den Einnahmen.