Enttäuschung
China wächst mit noch weniger Schubkraft, als erwartet worden war. Das schafft Probleme für die Liberalisierung des Finanzsektors.
Die aktuellen Konjunkturdaten aus China enttäuschen. Wertschöpfung und private Nachfrage zeigen immer weniger Dynamik. Die Industrieproduktion lag mit 6,8% sowohl unter den Erwartungen (Konsens: 7,6%) als auch unter dem Vorjahreswert (7,9%). Sie war aufgrund des Neujahrsfestes für Januar und Februar zusammen erhoben worden. Ähnlich das Bild bei den Umsätzen des Einzelhandels. Mit 10,7% unterbot er sowohl die Erwartungen (Konsens 11,6%) als auch den Vorjahreswert (11,9%). Diese Entwicklung hatte sich in den Einkaufsmanager-Indizes bereits angedeutet. Sie waren in den letzten Monaten sämtlich nahe an und teilweise auch schon unter die Expansionsschwelle bei 50 Punkten gefallen. Auch die jüngsten Außenhandelsdaten deuteten in diese Richtung. Die Importe lagen für Januar/Februar um rund 20% unter den Vorjahreswerten. Hier kommen Effekte der gesunkenen Preise für viele Rohstoffe, vor allem Öl oder Eisenerz, sowie die kleineren Volumina wegen der schwächeren Nachfrage zusammen. Da diese Trends zunächst anhalten, bleiben auch die Überschüsse der chinesischen Handelsbilanz erhalten. Damit fällt der nächste Liberalisierungsschritt in eine schwierige Lage. Den Geschäftsbanken soll im Laufe des Jahres die Gestaltung der Einlagensätze frei gestellt werden. Das kündigte Notenbankpräsident Zhou Xiaochuan an. In Zeiten rückläufiger Konjunktur steigen jedoch die Quoten der notleidenden und ausfallenden Kredite. Somit ist der Anreiz für die Banken besonders stark, mittels übertriebener Zinsangebote Mittel hereinzunehmen, um durch Ausfälle entstandene Löcher zu kaschieren. Es könnte also leicht dazu kommen, dass die Liberalisierung des Finanzsektors durch neue Belastungen der Banken diskreditiert wird.
Fazit: Die Abschwächung der chinesischen Konjunktur ist nicht überraschend. Allerdings könnten die Liberalisierungsexperimente unvorhergesehene Belastungen und Probleme schaffen. (Mehr) Vorsicht ist angesagt.