Absicherung durch Gelassenheit
Wer die Kapitalmärkte betrachtet, der kann zunehmend skeptisch werden. Die Frage „Wie lange geht das noch gut?" ist bei Anlegern immer häufiger zu hören. Die positiven Kommentare weisen dann auf die gute Weltkonjunktur hin. Die „Crash-Propheten" sehen dagegen ein Desaster auf die Kapitalmärkte zukommen. Wer nüchtern auf die Fakten schaut, sieht die hohen Bewertungen an die Aktienmärkten, den steigenden Zins in den USA, schwer kalkulierbare Staatslenker und eben auch die Robustheit der Märkte und soliden Unternehmenszahlen. Doch die Vergangenheit lehrt: Es gibt Konjunkturzyklen – und spätestens wenn die Wirtschaft schwächelt, kommen Aktienkurse und Unternehmensanleihen in Bedrängnis.
Wie soll sich der Anleger in dieser Phase verhalten? Ein Weg ist, vollkommen gelassen zu sein und seiner Anlagestruktur treu zu bleiben. „Antizyklisches Verhalten" heißt das Verhalten, das insbesondere von der Wissenschaft als der „Königsweg" gesehen wird. Wer sich z.B. entscheidet, 50 % Aktien als konstante Quote im Depot zu halten, reduziert seine Aktien, wenn z. B. die Aktien auf 55 % gestiegen sind. Fällt die Quote auf 45 % wird wieder aufgefüllt. Voraussetzung für diese Strategie: Ein (sehr) langer Anlagehorizont von mindestens 10 Jahren und „Stressresistenz". Denn es fühlt sich meist nicht gut an, wenn der Depotwert plötzlich nur noch drei Viertel des Ursprungswerts beträgt und man in dieser Zeit noch Aktien kaufen soll.
Absicherung durch Aktienverkauf oder spezielle Absicherungsinstrumente
Wer diesen Weg nicht gehen will, wird Absicherungsstrategien fahren wollen. Die einfachste Variante ist, frühzeitig seine Aktienquote zu reduzieren. Dabei sollte sich niemand – weder Laie noch Profi - der Illusion hingeben, den perfekten Zeitpunkt zu finden, also auf dem Höchststand der Kurse seine Quote zu reduzieren. Hinzu kommt: Verkauf geht schnell, aber der Wiedereinstieg stellt Anleger stets vor große Probleme. Viele Fondsmanager haben noch jahrelang nach der letzten Finanzkrise versucht, die Verluste wieder auszugleichen, weil sie zu spät wieder im Markt waren.
Statt Aktien zu verkaufen, können auch Absicherungsinstrumente verwendet werden. Doch auch hier steckt der „Teufel im Detail". Zunächst: Sie kosten allesamt Geld: Transaktionskosten, Ankaufs- und Verkaufsspreads und Produktgebühren.
Short-ETFs und Mini-Short-Futures
Häufig verwenden Vermögensmanager sog. „Short-ETFs". Damit lässt sich mit einem einzigen Fondskauf der gewünschte Teil der Aktienquote „neutralisieren". Die bestehenden Aktien bleiben im Depot, fallen aber die Kurse, sorgt der ETF mit einem adäquaten Kursanstieg für den Ausgleich. Vorteil ist, dass bei einem Depot mit vielen Einzelaktien diese nicht verkauft werden müssen. Allerdings wird viel Kapital gebunden, da z. B. bei einem „normalen" Short-ETF für 100.000 € Aktienabsicherung auch 100.000 € ETFs gekauft werden müssen. Die Variante, einen sog. „gehebelten" ETF zu wählen, hilft etwas, da in diesem Fall nur 50.000 € benötigt werden. Aber: Auf lange Sicht könnte es dazu kommen, dass der Short-ETF die gewünschte Absicherung nicht 100 % sicherstellt. Dies liegt an der speziellen Konstruktion der Fonds, die ihre Leistung nur von Tag zu Tag versprechen und somit täglich die neue Absicherungsbasis bestimmt wird.
Um den Kapitaleinsatz zu verringern, können sog. „Mini-Short-Futures", die als Zertifikate gehandelt werden, verwendet werden. Sie sind so konstruiert, dass mit wenig Einsatz (z. B. 10.000 Euro) z. B. der 50fache Anteil an Aktien (also 500.000 €) abgesichert werden kann. Auch hier wird die gewählte Aktienquote neutralisiert, ohne die Aktien verkaufen zu müssen. Die Besonderheit: Steigen die Aktienkurse, werden die Futures bei Erreichen einer definierten Kursschwelle fällig gestellt, um den Totalverlust zu vermeiden. Daher muss der Anleger die Wertpapiere gut im Blick haben, denn es könnte sein, dass er plötzlich ohne Absicherung dasteht.
Put-Optionsscheine
Put-Optionsscheine sind eine weitere Variante der Absicherung. Sie werden in großer Vielfalt angeboten und sind hoch komplex, weil diverse Einflussfaktoren den Preis bestimmen. So gibt es z. B. einen starken Preisverfall zum Laufzeitende, die Schwankungsbreite an den Märkten spielt ebenso eine große Rolle. Gut einzusetzen sind sie, wenn ein Anleger seinen Aktienbestand nur für den Fall absichern möchte, dass die Börse um mehr als 15 % fällt. So wählt er Optionsscheine z. B. auf den DAX, die „aus dem Geld" sind, also erst dann zahlen, wenn der DAX-Kurs unterhalb der 15 % Kursschwelle fällt. So eingesetzt, werden sie zur „Großschadensversicherung" des Anlegers. Crasht der Markt um 15 % und mehr, greift die Versicherung. Geringere Kursschwankungen bleiben ungesichert, dafür ist die Absicherung sehr günstig.
Fazit:
„Gelassenheit" ist wohl die sinnvollste Eigen-schaft, die ein Anleger mit langer Anlagedauer mitbringen sollte. Diese zahlt sich am Ende aus. Wer diese Tugend nicht zeigen möchte und sein Stresspotenzial begrenzen will, wird für Absicherungen bezahlen müssen.