Angst vor Lehman-Szenario
Die Angst vor einer neue Krise an den Finanzmärkten greift um sich. Parallelen zu 2008/09 sind unübersehbar.
Die Finanzmarktturbulenzen strahlen allmählich in die Realwirtschaft aus – und verstärken dadurch die akute Unsicherheit enorm. Darauf deutet ganz aktuell eine ifo-Studie hin. In ihr wurde die Stimmung in der Weltwirtschaft untersucht. Ergebnis: Trotz des niedrigen Ölpreises ist der Indikator für die Weltwirtschaftsstimmung auf 87,8 Punkte gefallen. Der Indikator liegt damit deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von 96 Punkten. Damit ist die Stimmung momentan so schlecht wie zuletzt 2012. Die größte Sorge besteht derzeit darin, dass sich ein Szenario wie 2008/09 mit der Lehman-Pleite wiederholen könnte. Auslöser könnten diesmal milliardenschwere Kreditausfälle im Rohstoffsektor sein. Außerdem drohen Länderpleiten bei einseitig aufgestellten Förderländern (z. B. Venezuela, Nigeria). Hintergrund: Etliche Banken haben enorme Kredite an den Rohstoffsektor ausgeliehen. Der extreme Ölpreisverfall könnte zu zahlreichen Kreditausfällen führen. Allein in den USA haben die Banken inzwischen dreistellige Milliardenrückstellungen für Kreditausfälle im Rohstoffsektor gebildet. Das ist das Szenario, das gerade an den Finanzmärkten dominiert. Laut einer Studie von Bernstein beträgt das Ausfallrisiko bis 2019 gut 73 Mrd. US-Dollar. Davon entfallen ca. 13 Mrd. Dollar auf 13 europäische Banken (ING 3 Mrd. Euro, Deutsche Bank 1,8 Mrd. Euro). Aufgeschlüsselt nach Ländern liegt das größte Risiko in Europa in Frankreich. In Kombination mit der Befürchtung einer weltweiten Konjunkturabkühlung ist das ein sehr ungesunder Cocktail. Denn etliche Überkapazitäten auf der Welt sind mit von den Notenbanken künstlich verbilligten Bankkrediten finanziert. Gibt es eine Pleitwelle, besteht das Risiko einer neuen Ausfall-Kaskade bei Banken. Darauf sind insbesondere die europäischen Häuser nicht gut vorbereitet. Sie haben noch zu viele faule Kredite in ihren Büchern (Italien 25% des Kreditvolumens). Zugleich ist das Vertrauen in die Möglichkeiten der Notenbanken rund um den Globus geschwunden. Die US-Notenbank müht sich mit ihrer Zinswende ab. Die Europäische Notenbank (EZB) häuft in größerem Umfang als ursprünglich geplant Staatsanleihen an, ohne dass das Geld in die Realwirtschaft fließt. Einerseits kommt das billige Geld also nicht in der Wirtschaft an (in der es zudem schon zu viele Überkapazitäten gibt). Andererseits ist kaum einem Beobachter klar, wie die Notenbanken die Märkte in einer neuen Krise noch stützen könnten.
Fazit: Die Parallelen zu 2008/09 sind unübersehbar. Die Notenbanken haben zwar Zeit gekauft, aber der Markt scheint die aufgeschobenen Strukturreformen nun einzufordern. An einem Abbau fauler Kredite und globaler Überkapazitäten führt kein Weg vorbei.