Das Ausland verlässt die Lira
Die türkischen Finanzmärkte sendeten in den letzten beiden Wochen starke Krisensignale. Die Lira (aktuell: 8,61 EUR|TRY) hat die bisherige Tiefstmarke zum Euro von Mitte 2018 unterschritten und die Marke von 8 Lira je Euro locker übersprungen. Sie verlor dabei in zehn Tagen 7%.
Kein Halt in Sicht
Noch ist kein Halt in Sicht, es geht weiter abwärts. Diese Botschaft ist auch an der Börse angekommen. Der bislang trotz der Währungsschwäche erstaunlich starke Leitindex ISE-100 gab innerhalb von zehn Tagen um 12% nach. Dahinter steht das altbekannte Problem einer geldpolitisch übermäßig angeheizten Nachfrage, die eine seit nunmehr 9 Monaten klar über 10% verharrende Inflation sowie wachsende Defizite in der Handels- und der Leistungsbilanz erzeugt.
Folge: Die ausländischen Investoren gehen auf Distanz und fahren ihr Türkei-Risiko zurück. Das ist für die Türkei gefährlich. Denn die Wirtschaft ist auf Zuflüsse aus dem Ausland angewiesen. Der Anteil der Währungskredite an den Fremdmitteln der türkischen Unternehmen ist mit rund 50% hoch. Und jede Abwertung der Lira wertet die Schulden weiter zulasten des Eigenkapitals auf.
In- und ausländische Anleger verlieren das Vertrauen in die Türkei.
Die von der Notenbank TCMB veröffentlichten Daten zur Zahlungsbilanz per Mai zeigen die Trends. Die Leistungsbilanz wies ein Defizit von 3,7 Mrd. Dollar aus. Im Vorjahr brachte der Mai (erster voller Monat der Tourismus-Saison) einen Überschuss von 1,07 Mrd. Dollar. Das Defizit im Warenhandel legte zu. Der im Tourismus erwirtschaftete Überschuss in der Dienstleistungsbilanz löste sich dagegen Corona-bedingt in Luft auf.
In- und ausländische Anleger verlieren das Vertrauen in die Türkei. Die Portfolioanlagen lieferten fast 3 Mrd. Dollar Abflüsse. Die Direktinvestitionen sind zwar positiv. Aber mit 118 Mio. Dollar allenfalls mit der Lupe zu erkennen. Hinzu kommen die milliardenschweren laufenden Abflüssen aus den Währungsreserven. Sie deuten auf erfolglose Interventionsversuche der Notenbank.
Fazit: Die Türkei strebt dem „sudden stop“ zu – dem Punkt, an dem die Kreditgeber nicht mehr bereit sind, ihre Positionen („exposure“) zu halten und damit die türkischen Kredite zu refinanzieren.
Empfehlung: Unter diesen Umständen steigt auch das Risiko der bislang einigermaßen sicher wirkenden Hartwährungspapiere des türkischen Staates. Dieses Risiko sollte soweit reduziert werden, dass auch ein Ausfall tragbar ist. Die Türkei taugt allenfalls noch für Wetten, aber nicht mehr für langfristige Anlagen.