Der Dreiviertel-Billionen-Euro-Turbo
Der Euro dreht nach oben. Und zwar auf breiter Front. Die Gemeinschaftswährung ist über die Marke von 1,10 EUR|USD gesprungen und hat sich sogar schon fast an die 1,11 EUR|USD herangearbeitet. Damit eröffnet sich für die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Greenback neues Aufwärtspotenzial. Denn der Euro hat seinen Boden bei knapp unter 1,07 gegenüber dem US-Dollar seit den Corona-Tief aus Mitte März inzwischen mehrfach verteidigt. Nun ist er sogar über die wichtige 200-Tagelinie geklettert. Diese verläuft gerade bei 1,10 EUR|USD. Es sieht also nach einer dauerhaften Trendwende aus.
Der Dreiviertel-Billionen-Euro-Turbo
Rückenwind bekommt die europäische Gemeinschaftswährung durch das milliardenschwere Rettungsprogramm aus Brüssel. Die avisierten 750 Mrd. Euro Konjunkturhilfen aus dem Wiederaufbaufonds ziehen ganz offenbar gerade Kapital in die Währungsunion.
Der Grund: Im internationalen Wettbewerb – insbesondere mit den USA – ist die Dreiviertel-Billion Euro schon ein gewisses Machtwort. Mit dem Geld, das über neue (Gemeinschafts-)Kredite geschöpft werden soll, können einige Investitionen finanziert werden. Geplant sind die Ausgaben vornehmelich für noch nicht näher definierte "grüne" Projekte und für die digitale Infrastruktur. Zunächst einmal bewerten die Märkte diesen Impuls als positiv.
Franken dreht nach unten
Der Geldregen aus Brüssel verbannt die akute Sorge vor einer scharfen und langen Konjunkturkrise in der Eurozone zunächst in den Hintergrund. So jedenfalls interpretieren wir den durchaus beeindruckenden Anstieg des Euro gegen den Schweizer Franken. Der ist erneut bei 1,05 EUR|CHF gescheitert und auf 1,07 zurückgefallen. Das Chartbild sieht sogar nach einer mittelfristigen Trendwendeformation aus. Der Euro hat Luft bis 1,14 EUR|CHF. Wer also kurzfristig auf Franken-Gewinne im Zuge der Corona-Krise spekuliert hat, sollte den Gewinn jetzt mitnehmen oder zumindest absichern.
Kräftig in Schwung kommt der Euro auch gegen den Yen. Das ist beachtlich, denn auch in Japan hat die Regierung ein weiteres Konjunkturpaket geschnürt. Doch die japanischen Anschubinitativen wirken inzwischen verbraucht. Dem europäischen Paket trauen die Investoren offenbar mehr zu. Auch das Pfund verliert gegen den Euro.
Staat bekommt Corona-Krisenkredite zum Nulltarif
Auf der Zinsseite ist das Bild unverändert. Deutsche Staatsanleihen notieren nahezu über sämtliche Laufzeiten klar negativ. Selbst für 25-jährige Laufzeiten liegt die Rendite bei -0,07%. Die 30-Jährigen rentieren mit 0,02% - was trotz der stark – auf 0,3% – gesunkenen Inflationsrate noch einen Negativzins ergibt. Am kurzen Ende notieren die Zinsen bei -0,53%.
Das bedeutet: Deutschland bekommt die Schulden, die jetzt für die Corona-Rettungsmaßnahmen aufgenommen werden, für die Laufzeit zum Nulltarif. Praktisch für jede Anleihe muss der Bund weniger zurückzahlen, als er sich jetzt borgt. Und insgesamt reduziert der Bund auch noch seinen Durchschnittszins auf alle ausstehenden Anleihen weiter. Getoppt wird das übrigens nur noch von der Schweiz. Die Alpenrepublik kann sich derzeit sogar für 50 Jahre Geld leihen und zahlt dafür -0,53%.
US-Zinsen liegen am Boden
Dass dies aus Marktsicht eine absurde Situation ist, erschließt sich sofort. Angesichts der geldpolitisch verordneten Rettungsstrategie wird diese Situation aber noch länger Bestand haben. In den anderen europäischen Ländern – voran der Südschiene – sind die Renditen dagegen deutlich höher. Aus Risikosicht halten wir die Anleihen dennoch nicht als Investment für geeignet. Nur auf Kurssteigerungen in einem von der EZB dominierten Markt zu setzen, erscheint uns langfristig nicht klug.
In den USA liegen die Zinsen derzeit fast reglos am Boden. Sie pendeln nur sehr geringfügig um das Niveau, das sie nach dem Corona-Absturz im März erreicht hatten. Neue Impulse, insbesondere am langen Ende, gibt es erst, wenn das Bild der Konjunkturerholung klarer wird. Das kann aber noch dauern.
Fazit: Der Euro erschließt sich neues Aufwärtspotenzial. Das reicht zunächst bis 1,15 gegenüber dem Dollar. Der Franken, aber auch Yen und Pfund, bremsen zum Euro ab.