Emanzipation mit Hindernissen: Warum der Dollar dominiert
Die BRICS-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – wollen den US-Dollar entthronen. Ihr Ziel: mehr wirtschaftliche Souveränität, weniger Abhängigkeit vom Westen. Tatsächlich sinkt der Anteil des Dollars an den globalen Devisenreserven. Doch ein anderer Indikator zeigt ein gegenteiliges Bild: Der Anteil des US-Dollar am Welthandel ist seit dem Jahr 2000 deutlich gestiegen – von rund 45% auf heute etwa 54%.
Dieser Anstieg fällt ausgerechnet in die Zeit, in der China zur wirtschaftlichen Supermacht aufstieg und die BRICS-Staaten begannen, gemeinsame Interessen zu formulieren. Der Widerspruch wirft Fragen auf: Warum wächst der Einfluss des Dollars im globalen Handel, obwohl der politische Wille zur Dedollarisierung so deutlich artikuliert wird?
Netzwerkeffekte und die Macht der Gewohnheit
- Der US-Dollar profitiert von jahrzehntelanger Dominanz. Viele internationale Lieferketten, Verträge und Preismechanismen sind auf ihn ausgerichtet. Insbesondere der Rohstoffhandel – von Erdöl bis Kupfer – erfolgt fast ausschließlich in Dollar. Selbst Länder, die politisch vom Dollar abrücken wollen, nutzen ihn weiterhin aus rein praktischen Gründen.
- Der Dollar ist liquide, stabil und weltweit akzeptiert. Er minimiert Transaktionskosten und Wechselkursrisiken. Für Unternehmen und Staaten bleibt er trotz politischer Spannungen oft die pragmatischste Wahl.
Die Grenzen der BRICS-Währungen
Zwar haben Russland und China inzwischen den Großteil ihres bilateralen Handels in Rubel und Yuan verlagert, und auch Brasilien und China setzen auf eigene Währungen im bilateralen Austausch. Doch eine gemeinsame BRICS-Währung ist bisher nur ein Gedankenspiel. Und die einzelnen Währungen? Sie sind – mit Ausnahme des chinesischen Yuan – oft volatil, illiquide oder nicht frei konvertierbar.
Der Yuan wiederum unterliegt Kapitalverkehrskontrollen und genießt nicht das Vertrauen, das für eine globale Leitwährung nötig wäre. Es mangelt den BRICS-Staaten schlicht an einem stabilen und anerkannten Ersatz für den Dollar.
Der Dollar als Rückgrat der Weltfinanzmärkte
- Der US-Dollar ist tief im globalen Finanzsystem verwurzelt. Staatsanleihen, Kredite, Derivate und Absicherungsinstrumente werden bevorzugt in Dollar gehandelt. Zentralbanken weltweit halten Dollar-Reserven, um Krisen abzufedern und Stabilität zu wahren.
- US-Finanzmärkte bieten die größte Tiefe und Liquidität – ein entscheidender Vorteil gegenüber alternativen Märkten. Und: Auch wenn Washington politisch unter Druck steht, bleibt das Vertrauen in den Dollar als Wertaufbewahrungs- und Tauschmittel bislang ungebrochen.
Geopolitik versus ökonomische Realität
Natürlich spielt Geopolitik eine Rolle. Die BRICS-Staaten wollen Sanktionen umgehen, eigene Zahlungssysteme aufbauen, sich dem Zugriff westlicher Institutionen wie SWIFT oder der Weltbank entziehen. Doch bisher sind diese Systeme regional begrenzt und technisch wie rechtlich nicht global einsetzbar.
Selbst aggressive Rhetorik aus den USA – wie etwa Trumps Zolldrohungen gegenüber BRICS-Staaten – zeigt eher Nervosität als echte Gefahr für den Dollar. Die westliche Vorherrschaft mag wanken, doch der Dollar bleibt wirtschaftlich konkurrenzlos.
Fazit: Die BRICS-Staaten streben nach mehr Unabhängigkeit vom Dollar – doch dieser bleibt im Welthandel dominierend. Gründe sind Netzwerkeffekte, mangelnde Alternativen und die strukturelle Verankerung des Dollars im Finanzsystem. Politischer Wille allein reicht nicht, um jahrzehntelange Abhängigkeiten zu überwinden.