EZB akzeptiert mehr Inflation für längere Zeit
Die Notenbanker haben große Probleme, die Folgen ihrer Geldpolitik für die Konjunktur und an den Finanzmärkten einzuschätzen. Das hat die Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds gezeigt. Aufgrund dieser hohen Unsicherheit wird die Konsequenz der geldpolitischen Entscheidungen entschärft. FUCHS-Devisen analysiert, welche Folgen das hat.
Die Notenbanker tappen im Dunkeln. Sie haben keine gute Vorstellung davon, wie sich die Wirtschaft entwickelt und insbesondere, wie die Rückkopplung auf ihre geldpolitischen Beschlüsse ist. Zu dieser Schlussfolgerung kam Allison Boxer, Ökonomin beim US-Vermögensverwalter Pimco.
Boxer erklärte nach den Frühjahrstagungen von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank: "Die Entscheidungsträger haben Schwierigkeiten, die Auswirkungen der unterschiedlichen Strömungen zu verstehen: ein robuster Start ins Jahr 2023, aber mit einer restriktiven Geldpolitik, Bankenzusammenbrüchen und hoher Inflation."
Navigieren bei unklarer Sicht
Diese unscharfe Sicht führt dazu, dass die Uneinigkeit in den Entscheidungsgremien hoch ist. Daraus folgt, dass Entscheidungen nicht so konsequent getroffen werden, wie es nötig wäre. In diesem Dilemma ist vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) gefangen. Denn sie muss in einer unübersichtlichen Situation Geldpolitik machen - und das auch noch für sehr unterschiedliche Länder. Ablesbar ist das bereits, z.B. in den Zinserhöhungen, die mit dem Defragmentierungsprogramm garniert werden, um die Zinsen der Südländer am Boden zu halten.
Die EZB wird darum ihre Gangart bei den Zinsen jetzt abbremsen - und somit mehr Inflation für längere Zeit akzeptieren. Die Rückwirkung auf den Euro ist bereits sichtbar. Gegenüber dem Dollar hält sich die Gemeinschaftswährung stabil. Hier wird einerseits die Zinsdifferenz nicht mehr größer, denn auch die US-Notenbank wird das Zinsanhebungstempo drosseln. Auf der anderen Seite belastet die noch nicht gelöste Frage um die Anhebung der US-Schuldenobergrenze den Greenback.
Fazit: Profiteure der lavierenden Notenbankpolitik sind Währungen von Ländern, in denen eine konsequentere Geldpolitik betrieben wird. Dazu gehören vor allem die Schweiz, Kanada und Australien. Deren Währungen dürften gegenüber dem Euro strukturell in der Vorhand sein. Sie bieten sich daher für die strategische Diversifizierung an.