Große Erwartungen, kleine Ergebnisse
In der Eurozone spielen die politischen Erwartungen für die Währungsentwicklung derzeit eine ebenso große Rolle wie die Wirtschaft. Letztere nimmt Fahrt auf. Die aktuellen Wirtschaftsdaten der Eurozone entsprechen weitgehend den hoch gespannten Erwartungen. Die Erholung hat Fahrt aufgenommen. Zuletzt überraschten die Umsätze der Einzelhändler mit einem deutlichen Aufschwung. Der Juni brachte einen Zuwachs um 17,8% gegenüber dem Vormonat (Konsens +15%) nach -12,1% per Mai.
Allerdings zeigt sich hier wieder das bekannte regionale Muster. Deutschland bleibt bei der Binnenkonjunktur der große Bremsklotz der Eurozone. Mit +13,9% verzeichnet man hier den schwächsten Zuwachs unter den großen Staaten. Frankreich entwickelt die stärkste Dynamik (+25,9%).
Einkaufsmanager und Industrie signalisieren Erholung
Das zeigt sich noch deutlicher bei den Einkaufsmanager-Indizes. Der Gesamtindex der Eurozone rückte per Juni mit 48,5 Punkten wieder nahe an die Wachstumsschwelle (50 Punkte) heran. Frankreich hat diese mit 51,7 Punkten schon genommen. Deutschland bleibt mit 47 Punkten hingegen klar darunter.
So auch beim Index der verarbeitenden Industrie. Dieser stieg per Juni auf 47,4 nach 39,4 Punkten im Mai. Auch hier hat Frankreich mit 52,3 Punkten die Wachstumsschwelle genommen, die für Deutschland (45,2 Punkte) nach ein Stück entfernt liegt.
Stabilere Erwartungen als für die USA
Die Eurozone kommt unterm Strich trotz der Schwäche Deutschlands voran. Das verleiht dem Euro etwas Stabilität. Zumal im Vergleich zu den USA. Dort bricht sich immer deutlicher die zweite Welle der Epidemie Bahn. Die Eurozone könnte sogar schneller aus den Problemen heraus sein.
Große Erwartungen richten sich auch auf Kanzlerin Merkel und die deutsche Ratspräsidentschaft. Kurzfristig muss das EU-Konjunkturprogramm an den Start gehen. Das erfordert einen Kompromiss beim Finanzierungsstreit.
Der ewige (unlösbare) Streit im Euroraum
Im Hintergrund steht aber das ungelöste Strukturproblem der Eurozone: eine supranationalen Geldpolitik ohne finanzpolitisches Gegenstück. Zwei Fragen sind und bleiben ungelöst:
- Was passiert mit den Schulden aus Vor-Euro-Zeiten?
- Und wer haftet wie für die mit der gemeinsamen Finanzpolitik zukünftig anfallenden Schulden?
Offene politische Flanke
Dieser offene Punkt ist letztlich der Ausgangspunkt der periodischen Euro-Krisen. Hier ist das für die Bewertung des Euro relevante Enttäuschungspotenzial am größten. Denn eine tragfähige Lösung ist hier nicht in Sicht. Isoliert lassen sich diese Fragen nämlich nicht angehen. Verbunden müssen damit auch massive Eingriffe Brüssels in die nationalen eben Souveränitätsrechte sein. Und spätestens an dieser Stelle sind sich plötzlich wieder fast alle einig: Dann lieber nicht …
Fazit: Die aktuelle Erholung zusammen mit der realistischen Chance auf das EU-Konjunkturprogramm stärkt den Euro zunächst. Die nicht einlösbaren Erwartungen auf eine grundsätzliche Lösung für die Eurozone werden aber im 4. Quartal zusammen mit der Aussicht auf den Brexit der Gemeinschaftswährung einen Dämpfer verpassen. Empfehlung: Aufgrund der schwachen Ertragsraten kommt der bEuro ei der Anlage weiterhin nur unter Sicherheitsaspekten in Frage.