Bloß nicht zu viel Stress: Unter diese Überschrift stellt die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Stresstest. Analysen, die der EZB eine „harte Linie“ (Handelsblatt) bescheinigen, welche Europas Banken „beunruhigt“(FAZ), teilen wir nur bedingt. Richtig ist: Der EZB-Stresstest ist ambitionierter als die vorherigen Versuche der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA. Das war aber auch nicht wirklich schwer, schließlich waren die EBA-Prüfungen im Jahr 2011 ein vollkommenes Desaster. Ganz so schlimm wird es dieses Mal wohl nicht, aber:
Einem Katastrophen-Szenario wie dem von 2008 müssen sich die Banken nicht stellen. Die von EBA und EZB erarbeiteten Anforderungen gehen von einem Rückgang der europäischen Wirtschaftsleistung von 0,7% und 1,5% für 2014 und 2015 und einem Mini-Plus von 0,1% für 2016 aus. Gleichzeitig wird ein Einbruch der europäischen Aktienmärkte um 19% und der Immobilienpreise in der EU um 15% angenommen. Das ist eine durchaus ernsthafte Krisensimulation. Sie kommt aber nicht an den tatsächlichen Wirtschaftseinbruch nach der Krise 2008/09 heran. Damals brach das Eurozonen-BIP bereits im ersten Krisenjahr um 4% ein, die Aktienmärkte gaben um über 25% nach.
Auskunft über die Widerstandsfähigkeit der Banken im Fall einer erneuten globalen Finanzkrise gibt der Stresstest also nicht. Dafür ist das Krisenszenario nicht schlimm genug. Ebenfalls nicht simuliert werden kurzfristige Schocks wie etwa die politische Krise in der Ukraine oder ein erneuter „Lehman-Moment“.
Höhere Anforderungen will die EZB den Banken nicht zumuten. Das hat einen ebenso simplen wie besorgniserregenden Grund: Die immer noch schwer angeschlagenen Banken und Staaten der Eurozone wären wohl schlicht nicht in der Lage, den nötigen Kapitalbedarf zu decken. Darauf deuten mehrere Untersuchungen hin, die den Kapitalbedarf der europäischen Banken auf mindestens eine halbe Billion Euro beziffern (FB vom 20.1.). Mit ihrem Stresstest-Design versucht die EZB, den Drahtseilakt zwischen zu lascher Aufsicht und einer Überforderung des Bankensektors zu schaffen.
Fazit: Ob dieser Mittelweg zum Erfolg führt, werden die Ergebnisse des Stresstests im Herbst zeigen. Unsere Erwartung: Es wird sicherlich einige Bankenrekapitalisierungen- und auch abwicklungen geben. Der ganz große Wurf wird aber nicht gelingen: Europas Bankensektor wird auch nach den Stresstest-bedingten Reinigungsarbeiten höchst fragil bleiben.