Türkische Lira im Abwärtstaumel
In der Türkei zeichnet sich eine Zahlungsbilanzkrise ab. Schuld ist die zügige Abwertung der Lira. Kurs aktuell zum Euro: 10,56. Dabei meldete die Türkei zum 1. Quartal beachtliche Wachstumszahlen. 7% Zuwachs gab es zum Vorjahresquartal (zuvor 5,9%).
Doch das überzeugt nicht. Die Dynamik lässt bereits wieder nach. Im Vergleich zum Vorquartal beträgt der Zuwachs gerade mal 1,7%. Das ist genau so viel wie im 4. Quartal 2020. Nimmt man den Einkaufsmanager-Index per Mai für die verarbeitende Industrie mit dem Rückgang von 50,4 auf 49,3 Punkte (und damit unter die Expansionsschwelle) hinzu, ergibt sich ein noch deutlicheres Bild. Demnach hat sich die Erholung der türkischen Wirtschaft schon wieder verflüchtigt.
Erdogan entlässt den nächsten Zentralbanker
Die Lira reagierte folglich nicht auf die guten Zahlen. Doch entscheidender als die nachlassende Dynamik war – Überraschung! – Präsident Recep Tayyip Erdogan. Er löste erneut einen Schub nach unten aus, indem er den nächsten missliebigen Währungshüter, einen Vizegouverneur der Zentralbank TCMB, per Erlass feuerte. Erdogan bleibt bei seinen abstrusen geldpolitischen Vorstellungen und ist offenbar weiterhin gewillt, jeden „unabhängigen“ Währungshüter zu feuern, der im Verdacht steht, etwas von Geldpolitik zu verstehen.
Auslandsposition verschlechtert sich laufend
Die Folgen sind längst als Zeichen an der Wand erkennbar. Die Inflation hat seit September von 11,8% auf 17,1% zugelegt. Und sie tendiert weiter nach oben. Angetrieben wird sie von der Währungsschwäche. Gleichzeitig verschlechtert sich die außenwirtschaftliche Lage immer weiter. Inzwischen wechseln auf der Finanzierungsseite die Warnlampen von „Gelb“ auf „Rot“.
Der über lange Zeit erkennbare Trend steigender Aktienkurse bei fallenden Bewertungen der Währung ist zusammengebrochen. Die Börsenkurse folgen seit Jahresanfang dem Außenwert parallel mit Rückgängen um etwa 15%. Dieses negative Stimmungs-Signal wird von der Zahlungsbilanz zum 1. Quartal unterstrichen. So sind offenbar starke Goldimporte mit dafür verantwortlich, dass sich das Defizit der Leistungsbilanz deutlich ausgeweitet hat. Dahinter steht offenbar ein Drang der Türken ins Gold, um Abwertung und Inflation zu entgehen.
Zahlungsbilanz lässt wachsende Probleme erkennen
Die Finanzierungsseite deutet daraufhin, dass es für die Türkei immer schwieriger wird, die Verpflichtungen in fremder Währung zu bedienen. Die Direktinvestitionen sind auf 363 Mio. Dollar zusammen geschrumpft; kaum 11% des Defizits von 3,33 Mrd Dollar. Dafür war der Abfluss von (kurzfristigen) Portfolioinvestments mit rund 5,7 Mrd Dollar fast doppelt so hoch wie das Defizit des Waren- und Dienstleistungshandels.
Wie lange ist die Last tragbar?
Diese Zahlungslasten konnte die Türkei bisher stemmen. Denn aus den Währungsreserven flossen 6,2 Mrd. Dollar ab (die Interventionen zur Stützung der Lira sind teuer). Außerdem machten die türkischen Banken bei den Kollegen des Auslands 3,6 Mrd. Dollar an frischen Krediten locker. Das heißt aber auch:
Die Investoren schleppen ihr Geld nicht mehr in die Türkei hinein. Stattdessen müssen die türkischen Banker die Mittel im Ausland aktiv einwerben, um die Refinanzierung darstellen zu können. Die Frage ist, wie lange dieses Kunststück noch gelingt angesichts der hohen Wechselkursrisiken in den Bilanzen von Banken und Industrieunternehmen, die durch die Währungskredite entsteanden sind. Die Kapitaldecke der Schuldner leidet mit jedem Prozentpunkt Lira-Abwertung.
Fazit: Allein das steigende Risiko türkischer Schuldner (unabhängig von der individuellen Bonität) wird die Abwertung weiter beschleunigen. Im Leistungsgeschäft sollten von türkischen Banken ausgestellte Avale mit Vorsicht betrachtet werden; hier entsteht langsam ein systemisches Risiko. Spekulative Anleger können zu Derivaten greifen.
Tipp: Wer auf die weitere Abwertung wetten (oder eine Lira-Position absichern) möchte, kann das mit diesem Endlos-Zertifikat der DG-Bank (DE 000 DZC 5ZP 6) tun, Basispreis (gleich Knockout) 7,7047 Lira.