Westeuropa zwischen starkem und schwachem Wachstum
Starkes Wachstum, starkes Pfund
Die britische Wirtschaft weist seit einigen Quartalen starke Konjunkturzahlen auf. Trotz leichter Verlangsamung betrug das Wachstum im zweiten Quartal 2,6% gegenüber dem Vorjahr. 2015 dürfte Großbritannien voraussichtlich nach den USA das zweithöchste Wirtschaftswachstum unter den G7-Ländern erreichen.
Entsprechend ist die Arbeitslosigkeit mit 5,6% im Juni niedrig. Sie erreicht wieder den Stand aus der Zeit vor der Wirtschaftskrise 2008. Die Anzahl freier Stellen geht seit März zurück, wenn auch auf hohem Niveau.
Die Inflationsrate schwankt seit Dezember 2014 um den Nullpunkt. Im Juli lag sie bei 0,1%, im Juni waren es 0%. Die Kerninflationsrate (ohne die volatilen Bereiche Energie und Nahrungsmittel) stieg zuletzt auf 1,2%. Es herrscht somit eher Deflationsgefahr. Die britische Notenbank BoE reagiert darauf wie zu erwarten: Sie hält die Leitzinsen mit 0,5% auf einem Rekord-Niedrigniveau. Dort steht der Leitzins seit März 2009. Dennoch erklärte die BoE Ende Juli, dass die Inflation schneller wieder ansteigen könnte, als im Moment erwartet wird. Dabei nannte sie die recht ordentlichen Lohnsteigerungen der letzten Quartale.
Fazit: Die BoE wird aller Voraussicht nach vor der EZB den Leitzins erhöhen. Das kann allerdings noch dauern. Perspektivisch sollte das Pfund zum Euro dadurch weiter gewinnen. Die 0,70-Marke wurde schon angetestet. Sie könnte im Oktober überwunden werden.
Negativer Leitzins drückt Frankenkurs
Die stetige Kapitalzufuhr bereitet der Schweiz weiter Probleme. Eigentlich ist das Land nach wie vor eine Vorzeigewirtschaft. Die Wachstumsraten des BIP sind nicht spektakulär, aber solide. Im 2. Quartal betrug das Wachstum gegenüber dem Vorjahresquartal 1,1%, nach 1,9% im ersten Quartal.
Die Arbeitslosenrate ist mir 3,1% im Juni wie im Juli sehr niedrig. Man kann von Vollbeschäftigung sprechen. Und das schon seit 2010, als die Rate zuletzt bei über 4% lag. Die Zahl der offenen Stellen hat sich bis Mai 2015 stetig verringert. Im Juni wurden erstmals seit einigen Jahren wieder mehr Stellen ausgeschrieben als im Vormonat.
Probleme bereitet die Inflationsrate. Sie ist seit September 2014 negativ. Zudem steigt der negative Wert stetig. Im Juni lag sie bei -1,3%. Seit März ist auch die Kerninflationsrate negativ (-0,6% im Juli). Das Land leidet damit unter der Rolle des Franken als „Fluchtwährung“. Aus Krisenländern wird Geld in der Schweiz angelegt. Dies führt zu steigenden Franken-Kursen. In der Folge verbilligen sich Importe, Exporte werden teurer.
Die schweizerische Notenbank senkte den Leitzins im Dezember 2015 auf -0,75%. Im Quartalsheft vom 18.6. bekräftigte sie die Absicht, den Leitzins unverändert zu lassen. Die Notenbank SNB sieht den Franken als überbewertet an. Nachdem er zu Anfang des Jahres die Währungsparität mit dem Euro erreichte (1 Euro= 1 Franken), hat er stetig wieder an Wert verloren und liegt aktuell bei 0,922 Euro.
Fazit: Die Negativzinsen der SNB sollten dafür sorgen, dass der Franken weiter an Wert verliert. Das Ziel der SNB könnte bei 0,83 Euro liegen. Nach einem recht starken Kursverfall seit Mitte Juli erwarten wir aber für die nächsten beiden Monate eine Seitwärtsbewegung.
Bereit zu Zinssenkungen
Die Notenbank Riksbank ist stark auf ihr Inflationsziel fokussiert. Insgesamt weist Schwedens Wirtschaft gute Zahlen auf: Das Land hat eine mit 42% des BIP (Stand 2014) niedrige Staatsschuldenquote. Schweden ist traditionell eine Exportnation. Sie erwirtschaftet regelmäßig Außenhandelsüberschüsse. Im letzten Monat stiegen die Exporte stark an. Das Wirtschaftswachstum liegt seit Januar 2014 über 2%. Im Juli 2015 betrug es 3% im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das Wachstum scheint leicht an Dynamik zu gewinnen. Die Arbeitslosenquote liegt seit Jahresbeginn bei um die 8%. Allerdings sind Schwedens Arbeitslosenraten nicht mit denen anderer Länder vergleichbar, da sie anders berechnet werden. Nach deutscher Rechnung wären sie höher.
Auch Schweden weist eine sehr niedrige Inflationsrate auf. Im Juli 2015 lag sie bei -0,1%, die Kerninflation bei 0,95%. Der Leitzins wurde in den letzten Monaten mehrfach gesenkt, zuletzt am 2. Juli 2015 auf -0,35%. Im Februar 2015 hat die Notenbank erstmals einen mit 0,1% negativen Leitzins festgelegt. Die niedrigen Zinsen verstärkten das Wachstum des seit Jahren steigenden Häuserpreisindex. Im ersten Quartal 2015 wurde hier ein Allzeithoch erreicht. Im Immobilienmarkt besteht damit das Risiko einer Blasenbildung. Die Aufgabe, das zu verhindern, sieht die Riksbank bei der Politik.
Fazit: Um den von ihr gewünschten Zielkorridor bei 2% zu erreichen, ist die Riksbank zu weiteren Zinssenkungen und weiterem Kauf von Staatsanleihen bereit. Dementsprechend sollte der Kursverlust der Krone gegenüber dem Euro anhalten. Werte um 0,102 EUR können bis Oktober erreicht werden.
Wachstumsschwäche
Trotz recht guter Zahlen will die Notenbank der Wachstumsschwäche der Wirtschaft begegnen. Norwegen gilt als das Land mit dem weltweit höchsten Lebensstandard. Als großer Erdöl- und Gasförderer ist Norwegen von den Energiemärkten abhängig. Dennoch weist die Wirtschaft in den letzten drei Quartalen Wachstum auf. Im ersten Quartal 2015 betrug es 1,5% zum Vorjahresquartal. Die Dynamik ist damit schwächer als erwartet.
Die niedrigen Rohstoffpreise hatten einen negativen Einfluss auf die Arbeitslosenrate. Sie ist seit 2014 stetig gestiegen und betrug im Mai 2015 4,3%. Die Inflationsrate lag im Juni mit 1,8% recht nahe an der 2%-Marke, die allgemein als Ideal angesehen wird.
Auch Norwegen hat einen niedrigen Leitzins. Am 18. Juni senkte ihn die Nationalbank Norges Bank auf 1%, von zuvor 1,25%. Begründet wurde die Leitzinssenkung mit den schwächeren Wirtschaftsaussichten. Für den Herbst stellte die Notenbank eine weitere Zinssenkung in Aussicht, sollte sich die wirtschaftliche Dynamik wie erwartet weiter abschwächen.
Fazit: Der Euro hat seit Mai gegenüber der Krone recht stark zugelegt. Die Politik der norwegischen Notenbank spricht auf Dauer für eine weitere Abschwächung des Kronen-Kurses. In den nächsten ein bis zwei Monaten sollte aber zunächst noch eine Kurskorrektur in Richtung von 8,900 NOK/Euro erfolgen.
6-Monats-Übersicht zu ausgewählten Währungen aus Westeuropa
Land | Währung/Zins | Aktueller Kurs | Ausblick 3 Monate | Ausblick 6 Monate | Prognose-sicherheit |
---|---|---|---|---|---|
UK | GBP | 0,719 | 0,72 | 0,76 | neutral |
3m-Zins | 0,55 | 0,5 | 0,5 | ||
Schweiz | CHF | 1,079 | 1,06 | 1,09 | neutral |
3m-Zins | -0,79 | -1,0 | -1,0 | ||
Schweden | SEK | 9,49 | 9,60 | 9,60 | neutral |
3m-Zins | -0,21 | -0,1 | -0,1 | ||
Norwegen | NOK | 9,24 | 9,24 | 9,30 | neutral |
3m-Zins | 1,32 | 1,30 | 1,25 |