Wie stressresistent ist das US-Bankensystem?
Die Ergebnisse des jährlichen Bankenstresstests des Federal Reserve Board zeigen, dass große Banken größere Verluste erleiden würden als im Vorjahr. Dennoch sind sie laut Fed „gut genug aufgestellt“, um eine schwere Rezession zu überstehen und über den Mindestkapitalanforderungen zu bleiben. Trotz des prognostizierten stärkeren Rückgangs der Eigenkapitalquoten im diesjährigen Stresstest wären die Banken immer noch in der Lage, Kredite an Haushalte und Unternehmen zu vergeben und dabei deutlich über den Mindestkapitalanforderungen zu bleiben.
Insgesamt verfügen die Banken über 600 Mrd. USD an Kapital über ihren Mindestanforderungen, basierend auf dem Quartal mit dem stärksten Kapitalrückgang. Unter Stressbedingungen sinkt die CET1-Kapitalquote, die einen Puffer gegen Verluste bietet, voraussichtlich um 2,8 Prozentpunkte von 12,7 Prozent auf 9,9 Prozent. Dies ist zwar ein stärkerer Rückgang als im letzten Jahr, liegt aber innerhalb der Bandbreite der jüngsten Stresstests. Die prognostizierten Gesamtverluste von fast 685 Mrd. USD umfassen 175 Mrd. USD an Kreditkartenverlusten, 142 Mrd. USD an Verlusten aus Gewerbe- und Industriekrediten und fast 80 Mrd. USD an Verlusten aus Gewerbeimmobilien.
Zusatz-Stresstest durchgeführt
Zusätzlich führte die Fed Stresstests zum Ausfall von fünf großen Hedgefonds durch. Dabei würden die größten und komplexesten Banken voraussichtlich zwischen 70 und 85 Mrd. USD verlieren. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Banken ein erhebliches Engagement in Hedge-Fonds haben, aber verschiedene Arten von Schocks im Handelsbuch verkraften könnten.
Drei Faktoren führen zu Rückgang der Eigenkapitalquote
Im Vergleich zu den Ergebnissen des letzten Jahres gibt es drei Hauptfaktoren, die den Rückgang in diesem Jahr beeinflussen:
- Erhebliche Steigerungen der Kreditkartenguthaben der Banken in Verbindung mit höheren Säumigkeitsraten haben zu höheren prognostizierten Kreditkartenverlusten geführt.
- Die Unternehmenskreditportfolios der Banken sind risikoreicher geworden. Das zeigt sich in der Herabstufung der eigenen Kredite durch die Banken und führt zu höheren prognostizierten Unternehmensverlusten.
- Der jüngste Rückgang der zinsunabhängigen Nettoerträge der Banken setzt sich im Projektionszeitraum des Stresstests fort und führt zu einem geringeren prognostizierten Nettoertrag vor Rückstellungen zum Ausgleich von Verlusten.
Hintergründe
- Im vergangenen Jahr haben die Banken ihre Kreditkartenguthaben um mehr als 100 Mrd. USD erhöht und die Ausfallraten bei Kreditkarten um über 40 % gesteigert. Infolgedessen werden die Banken beim Stresstest voraussichtlich 175 Mrd. USD oder 17,6 % der Kreditkartenguthaben verlieren.
- Auch die Unternehmenskreditportfolios dieser Banken sind risikoreicher geworden. Dazu gehören ein Rückgang des Investment-Grade-Anteils an den Unternehmenskrediten und ein Anstieg des Anteils der von den Banken herabgestuften Kredite im Unternehmensportfolio. Da die Portfolios risikoreicher geworden sind, ist die Verlustrate für Gewerbe und Industrie von 6,7 % im Stresstest 2023 auf 8,1 % im Stresstest 2024 gestiegen.
- Gleichzeitig verzeichneten die Banken einen Rückgang ihrer zinsunabhängigen Nettoerträge. In den letzten Jahren sind die zinsunabhängigen Erträge dieser Banken, wie z.B. die Gebühren im Investmentbanking, gegenüber ihrem Höchststand nach der Pandemie deutlich zurückgegangen. Die zinsunabhängigen Aufwendungen, wie z.B. die Vergütungen und Immobilienkosten, sind dagegen weiter gestiegen. Der Rückgang der zinsunabhängigen Nettoerträge bedeutet, dass die Banken im Stresstest voraussichtlich geringere Nettoerträge vor Rückstellungen haben werden, um die Verluste aus ihren Kreditportfolios und anderen Vermögenswerten auszugleichen.
Stress-Szenario ähnlich, aber nicht gleich demjenigen aus dem vergangenen Jahr
Das diesjährige hypothetische Szenario ist laut Fed im Großen und Ganzen mit dem letztjährigen Szenario vergleichbar. Es beinhaltet eine schwere globale Rezession mit einem 40-prozentigen Rückgang der Preise für Gewerbeimmobilien, einem erheblichen Anstieg der Büroleerstände und einem 36-prozentigen Rückgang der Immobilienpreise. Die Arbeitslosenquote steigt um fast 6,5 Prozentpunkte auf einen Spitzenwert von 10 Prozent, und die Wirtschaftsleistung geht entsprechend zurück.
Zweifel, die bleiben
Dennoch gibt es aus Sicht von FUCHS DEVISEN einige Fragezeichen, die die Fed-Analyse hinterlässt:
- Die Fed hat die Verlustquote für Investitionen in Small Business Investment Companies (SBICs) von etwa 60 % auf cirka 25 % gesenkt. SBICs stellen kleinen Unternehmen Kapital in Form von Eigenkapital oder Fremdkapital zur Verfügung. Dies könnte die Belastung der Banken in den Stresstests ungebührlich verringern. Die Fed beruft sich auf neue Daten und Informationen über diese Investitionen.
- Die Verluste aus bestimmten Krediten, die durch US-Regierungsbehörden garantiert werden, werden in den Stresstests nicht berücksichtigt. Diese Anpassung berücksichtigt bestehende Verlustteilungsvereinbarungen mit der FDIC. Diese Annahme könnte dazu führen, dass die tatsächlichen Risiken dieser Kredite unterschätzt werden.
- Die Federal Reserve hat die Ausgaben im Zusammenhang mit der Sonderabgabe zur Deckung der Verluste des Deposit Insurance Fund (DIF) nach den Schließungen der Silicon Valley Bank und der Signature Bank ausgeschlossen. Dies könnte die Belastung der Banken in den Stresstests künstlich verringern. Der Ausschluss dieser Ausgaben wird mit deren einmaligem Charakter begründet.
- Unterschiede in der Berichterstattung von Zinsaufwendungen zwischen den Banken führten zu Modellanpassungen. Diese Anpassungen wurden vorgenommen, um eine konsistente Projektion über die Banken hinweg sicherzustellen. Es wäre aber wichtig zu verstehen, wie diese Anpassungen die Vergleichbarkeit und Konsistenz der Ergebnisse beeinflussen und ob sie möglicherweise einige Banken bevorzugen.
- Das Modell für die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls von Gewerbeimmobilienkrediten (CRE) wurde angepasst, um das Risiko von Refinanzierungen bei niedrigen Schuldendienstdeckungsgraden zu berücksichtigen. Diese Anpassung basiert auf einer Analyse der empirischen Ausfallraten von CRE-Krediten. Es wäre wichtig zu überprüfen, ob diese Anpassung die tatsächlichen Risiken angemessen widerspiegelt.
Fazit: Ganz so entspannt, wie die Fed auf den ersten Blick die Ergebnisse ihres Stresstests einstuft, ist die Situation nicht. Es droht zwar selbst in einem Schockmoment keine unmittelbare, ernsthafte Systemkrise im US-Bankenmarkt. Aber kommt es zur Kumulation von Risikoszenarien, die im Stresstest abgemildert wurden, ist es fraglich, ob die US-Banken mit einem blauen Auge davonkommen.
Die Währungsmärkte können sich diesbezüglich vorerst zurücklehnen.Sollte die US-Wirtschaft unerwartet in Turbulenzen geraten, wäre der dortige Bankenmarkt in der Lage, auch einen schwereren Schock aufzufangen.
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