Der Ketchup quillt weiter aus der Flasche - nur nicht mehr ganz so schnell wie noch vor drei Monaten (FD vom 1.4.). Eine deutliche Verlangsamung der Inflationsraten ist aber noch nicht erkennbar. Auch die geringer ausgefallene Zahl für Deutschland, die Inflation ging von 7,9% auf 7,6% zurück, sollte nicht überschätzt werden. Hier zeigt sich der Bremseffekt des Tankrabatts und des 9-Euro-Tickets. In Frankreich zieht die Inflation dagegen weiter kräftig an. Sie stieg um 0,8 Prozentpunkte im Monatsvergleich auf 6,5%.
Dynamischer Inflationsanstieg
Der Anstieg ist so dynamisch, dass sogar die Europäische Zentralbank (EZB) handeln wird. Das haben wir vor drei Monaten so nicht erwartet. Da nun aber in gewisser Weise eine geldpolitische Straffung absehbar ist, passen wir unsere Zins-Prognosen für den Euro-Raum nach oben an. Beim 3-Monatsgeld schieben wir unserer Erwartungen leicht nach oben, allmählich aus dem negativen Zinsbereich heraus. Einen starken Anstieg erwarten wir aber nicht, zumal die EZB auch schon nach einem "neuen Kriseninstrument" Ausschau hält, um die Differenzierung der Anleihezinsen in der Eurozone zu unterbinden.
Am langen Ende sind die Renditen schon kräftig gestiegen. Im Vergleich zum April haben sie sich glatt auf 1,33% verdoppelt. Die Inflationsentwicklung spricht für eine weitere Klettertour. Allerdings erwarten wir auch einen sanften Anstieg, denn die Konjunktur dürfte in der Eurozone arg gebremst werden (Ukraine, Rohstoff- und Energiepreise, Gasversorgung).
EZB laviert und schwächt den Euro
Das Lavieren der EZB wird auch die Effekte abschwächen, die Zinserhöhungen eigentlich auf den Euro haben würden. Sichtbar wird das besonders deutlich im Franken, der wieder über die Parität gesprungen ist. Die SNB hat die EZB bereits ins Abseits gestellt und die Leitzinsen erhöht.
Forsch wird auch die US-Notenbank voranschreiten. Wir erwarten, dass die Fed ihre Zinsen weiter in großen Schritten anzieht. Fed-Chef Jerome Powell hat dieser Tage deutlich gemacht, dass die Fed auch das Risiko eingehen müsse, die Leitzinsen zu überziehen. Sie hat den Fokus klar auf Inflationsbekämpfung ausgerichtet, erst danach auf die Konjunktur. Das wird den Dollar weiter hochziehen, aber auch die Wirtschaftsentwicklung in den USA bremsen. Wir erwarten weiterhin eine Rezession in den USA und gehen daher auch davon aus, dass die kurz- und langfristigen Zinsen in einem Jahr dicht beieinander liegen. Gelingt es, die Inflation zu zügeln, wird die Fed dann schon wieder in Richtung sinkender Zinsen deuten.