Gefährlicher Grenzverkehr
Würde Deutschland die bisherigen Anti-Corona-Maßnahmen durchhalten, könnten die Einschränkungen in der 1. Juniwoche aufgehoben werden. Dann hätte die Wirtschaft wieder freie Bahn, die Zahl der Neuinfektionen wäre nahe null. Bis dahin, so hat Markus Rudolf, Professor an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Vallendar berechnet, müssten wir 10.200 Tote beklagen, die an Corona oder mit Corona verstorben wären. Und eine unbekannte, aber mutmaßlich sehr hohe Zahl an Unternehmenspleiten. Anders gesagt: Die Wirtschaft, die jetzt schon an die staatliche Beatmungsmaschine angeschlossen ist, würde unter solchen rigorosen Bedingungen einen Kampf auf Leben und Tod führen.
Zum Vergleich Schweden. Das Land, das eine Selbstverantwortungsstrategie fährt, kann erst nach dem 30.6. die Ampel wieder auf Grün stellen. Bis dahin wird das Land rund 12.000 Todesfälle zählen – das sind bei nur 10,2 Mio. Einwohnern vergleichsweise deutlich mehr als in Deutschland mit 82 Mio. Menschen (die problematische Vergleichbarkeit der Datenerhebungen einmal beiseite gelassen). Dafür bleibt aber Schwedens Wirtschaft lebendig.
Die Grenzen müssen weitgehend dicht bleiben
Grenzüberschreitender Verkehr ist nach offizieller Lesart besonders problematisch („eingeschleppte“ Fälle). Das ist das Hauptproblem aller Strategien – und das wird die Wirtschaft noch beschäftigen. Sobald hier die Einschränkungen (beidseitig) aufgehoben werden – so wie es jetzt Tschechien seit Freitag durch einen Gerichtsbeschluss macht, muss wieder mit steigenden Fallzahlen gerechnet werden.
Interessant in diesem Zusammenhang sind die lokalen Erhebungen des RKI. Die Landkreise mit den höchsten Infiziertenraten und Todesfällen liegen fast alle im Grenzgebiet. Wunsiedel, Tischenreuth, Neustadt an der Waldnaab liegen alle an der tschechischen Grenze mit intensivem Grenzverkehr. Der Landkreis Rosenheim befindet sich an Bayerns Südgrenze zu Österreich, der Kreis Heinsberg in NRW grenzt an Holland.