Den Interbankenmarkt im Blick
Warum die Absenkung des EZB-Einlagezinses in den negativen Bereich eine zwangsläufige Folge der Leitzinssenkung war.
Die Europäische Zentralbank (EZB) beweist mit ihren heute beschlossenen Maßnahmen, dass sie an zwei Fronten kämpft. Einerseits will sie durch die erneute Leitzinssenkung und den konditionierten Langfrist-Tender für mehr Inflation sorgen, die Kreditvergabe an Unternehmen ankurbeln und so die europäische Konjunktur beflügeln. Andererseits soll die zaghafte Normalisierung am Interbankenmarkt nicht wieder abgewürgt werden. Die Senkung des Einlagezinses in den negativen Bereich war eine zwangsläufige Folge der Leitzinssenkung. Zur Erklärung: Der Leitzins (akt. 0,15%) zeigt an, wie viel Banken bezahlen müssen, wenn sie sich Geld für eine Woche bei der EZB beschaffen. Der Einlagezins (akt. -0,10%) gibt an, wie viel Geld die Banken bekommen, wenn sie Kapital bei der EZB über Nacht parken. Und der Spitzen-Refi ist der „Not-Zins“, zu dem Banken akute Liquiditätsengpässe gegen Abtretung von Sicherheiten überbrücken können. Einlagezins und Notzins bilden also den Korridor, innerhalb dessen sich der Marktzins (EONIA) bewegt. Hätte die Notenbank nur den Hauptzins gesenkt, würde sie die Normalisierung am Interbankenmarkt gefährden. Denn bei einer Differenz von nur 0,1 Prozentpunkten zwischen Einlagenzins und Leitzins würde der Markt nicht mehr funktionieren. Die starke Absenkung des Spitzen-Satzes (akt. 0,4%) soll die Volatilität begrenzen. Der negative Einlagenzins bewirkt, dass der Interbankenmarkt für die Geldhäuser attraktiver ist als die EZB. Darauf kam es der Notenbank entscheidend an. Denn erstmals seit Jahren orientieren sich die Zinsen am Interbankenmarkt zwischen den Geldhäusern wieder in etwa am Leitzins. Dieser Markt war nach der Lehman-Krise bekanntlich völlig aus den Fugen geraten. Die Institute hatten so wenig Vertrauen zueinander, dass sie sich kaum noch Übernacht-Kredite gaben. Der EONIA-Zins sank ab 2009 deutlich unter den EZB-Hauptsatz (vgl. Chart). Der Grund: In der Hochphase der Krise hatte die EZB diese Liqudität als Langfrist-Tender zu extrem günstigen Konditionen bereitgestellt. Damit hatte sie einerseits die Banken gerettet, auf der anderen Seite aber auch den Interbankenmarkt zerstört. Im Chart zeigt sich das an dem EONIA, der seit 2012 nahe Null notiert. Seit Ende 2013 ist eine Normalisierung am Interbankenmarkt zu beobachten. Diese korrespondiert mit der Rückzahlung der Überschussliquidität von 1.000 Mrd. auf 100 Mrd. Euro an die EZB. Folge: Seit Anfang 2014 notiert der EONIA erstmals wieder einigermaßen kontinuierlich über dem EZB-Hauptsatz.
Fazit: Der negative Einlagezins ist eine Notwendigkeit aufgrund der Absenkung des Leitzinses. Der Interbankenmarkt dürfte sich weiter normalisieren. Das ist zentrale Voraussetzung dafür, dass die Geldhäuser Kredite in die Realwirtschaft weiterleiten.