Die Fed wird nervös
Die Fed wirft das (verbale) Notaggregat an. Und sie ändert – besser: erweitert – ihr Mandat. Überraschend erklärte gestern Nacht (MEZ) Fed-Chef Jerome Powell, der Leitzins sei nur etwas unter dem Niveau, das als neutral gelten kann.
Kurz: Bei den Zinsen passiert nicht mehr viel. Zuvor war angesichts der stark laufenden US-Konjunktur mit 3% Wachstum, rekordniedriger Arbeitslosigkeit (3,7%) und Inflationsraten über 2% noch mit bis zu fünf weiteren Zinsschritten auf ein Niveau von 3,25% gerechnet worden (aktuell 2 – 2,25%).
Ein Zeichen an die Märkte
Die Aktienkurse, die im Dow Jones nahe an der kritischen 24.000 Punkte- Marke standen, machten einen Satz nach oben. Hätten sie die Marke nach unten durchschlagen, hätte es viel Raum für weitere Verluste gegeben. Dann hätten im Algorithmen- gesteuerten Handel Dominoeffekte für rasche weitere Kursverluste gesorgt. Das hat Powell abgebogen.
Neben den Aktienmärkten waren (und sind) die US-Immobilienmärkte in einem kritischen Zustand. Die Häuserpreise bewegen sich von Rekordniveaus wieder nach unten. Die Nachfrage geht mit steigenden Hypothekenzinsen zurück. Zuletzt um satte 8,9%.
Finanzmarktstabilität als Aufgabe
Die Fed hat die Finanzmarktstabilität offiziell in ihren Aufgaben-Kanon aufgenommen. Inflationsbegrenzung und Arbeitsmarktförderung sind seit jeher die beiden Aufgabenschwerpunkte der Fed. Zwar schätze die Fed die Risiken im Finanzsystem als „moderat" ein, sagte Powell. Der Teil des Systems, in den man klaren Einblick hat, sei recht robust aufgestellt. Leider ist aber „unser Blick auf die Hebelwirkung und Risikobereitschaft außerhalb des Bankensektors .. unvollständig".
Einerseits sehe man „keine gefährlichen Exzesse an der Börse." Andererseits könnten „Rückgänge bei den Aktienkursen die Ausgaben und das Vertrauen unter Druck setzen". Die Fed wird also weiter große Rücksicht auf die Börsen und die Immobilienmärkte nehmen. Und ihre Handlungen danach ausrichten. Wenn Zinserhöhungen zu möglichen Preisstürzen auf den Märkten führen könnten, bleiben sie aus.
Fazit:
Das mag für die Aktienmärkte erst mal ein Grund zum Feiern sein. Die Jahresendrally wird beflügelt (siehe S. 4). Doch es zeigt auch, dass die Geldpolitik in einer Sackgasse feststeckt. Um das Finanzsystem vor einem erneuten Zusammenbruch zu bewahren, hätten die Notenbanken viel eher die Zügel anziehen müssen.