Draghi hält die Zinsen niedrig
Das ist sie, die 3 vor dem Komma der US-Renditen – und jagt der US-Börse einen kräftigen Schrecken ein. Parallel zum Zinsanstieg gingen die US-Aktien wieder ordentlich auf Tauchstation. Am stärksten fielen die hochgetriebenen und zinssensitiven Tech-Titel in den USA.
Mit den kontinuierlich kletternden Renditen werden US-Anleihen wieder als Anlagealternative interessant. Damit bekommen Aktien eine Konkurrenz, die sie seit Jahren nicht hatten. Die durch die Notenbanken künstlich gedrückten Renditen waren im Vergleich zu Aktien wenig attraktiv. Mit der Normalisierung des Zinsniveaus verschiebt sich das Chance-Risiko-Verhältnis bei Anleihen wieder in Richtung Chance.
Folgenreiche Aufwärtsbewegung
Die Klettertour wird ein Umdenken und Umschichten bei institutionellen Investoren auslösen. Aus vergleichsweise teuren Aktien dürfte sukzessive in Anleihen umgeschichtet werden. Grund: Insbesondere für Versicherungen und Pensionskassen, aber auch für Stiftungen sind klar planbare Ausschüttungen bei überschaubaren Risiken wichtig.
In den USA entstehen wieder Anlagechancen auf der Zinsseite. Die absehbar weiter kletternde Inflation – auch getrieben von den steigenden Rohstoffpreisen – wird ohnehin zu höheren Risikoprämien am Anleihenmarkt führen. Hinzu kommt die weiter dynamisch ausufernde US-Verschuldung. Die wird ebenfalls dazu beitragen, dass Käufer von US-Schuldtiteln angemessene Zinsen verlangen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die US-Rendite bis Jahresende auf 3,5% steigt.
Draghi hält die Zinsen weiter unten
Europa ist weiterhin in einer völlig anderen Fahrspur unterwegs. EZB-Präsident Mario Draghi erklärte heute (Donnerstag) erwartungsgemäß, dass die Leitzinsen in der Eurozone noch lange niedrig bleiben werden. Im Gegensatz zu den USA ist in Europa kein schneller Inflationsanstieg wahrscheinlich.
Wie lange sich die Marktzinsen in der Eurozone von den US-Renditen abkoppeln können, steht aber auf einem ganz anderen Blatt. Der wachsende US-Zinsvorsprung könnte global ordentlich Kapital ansaugen. Das würde dann mittelfristig auch zu einem steigenden Dollar führen. Somit würden US-Investments doppelt interessant – und die Kapitalumschichtung in den US-Anleihemarkt könnte sich beschleunigen.
Der globale Wettbewerb um Kapital zur Finanzierung der Staatshaushalte würde dann zwingend zu steigenden Renditen in der Eurozone führen. Mittelfristig würde auch die Inflationsrate ansteigen. Denn bei einer schwächeren Gemeinschaftswährung würde die Eurozone Inflation importieren. Dann müsste irgendwann auch die EZB reagieren – und das sogar dann, wenn die Konjunktur schwächelt. Die US-Notenbank Fed hat offenbar gerade noch rechtzeitig gegengesteuert und verschafft sich Handlungsspielraum. Die EZB hat sich dagegen aus politischen Gründen abhängen lassen.
Fazit: In den USA werden Anleihen allmählich wieder interessant, Aktien sind vergleichsweise teuer. In Europa, voran in Deutschland, sind Aktien dagegen weiter relativ günstig und attraktiver als Zinspapiere.